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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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Stilllebens in den Sand gekackt.
    Edda lehnte sich an ein Auto, das vor der Haustür geparkt war, und wartete darauf, dass sich die Tür des großen Mietshauses öffnen würde. Weit und breit gab es keine Läden oder Restaurants. Nur am Ende der Straße befand sich eine Tankstelle.
    Deprimierend, wie die Menschen hier wohnen, dachte Edda. Alle, die aus den Haustüren auf die Straße traten, sahen blass und traurig aus. Ihre Mundwinkel waren heruntergezogen, ihre Blicke starr. Sie schauten weder links noch rechts, als sie an ihr vorübergingen. Edda schaute ihnen lange nach. Als sich ihr Gesicht in einer Autoscheibe spiegelte, fiel Edda auf, wie zerzaust sie aussah. So brauchte sie es bei Thorben gar nicht zu versuchen, so würde sie ihn nie zu einer guten Tat überreden können. Mit ein paar Handgriffen ordnete Edda ihre Haare zu einem Pferdeschwanz. Dann kramte sie aus ihren Taschen einen Lippenstiftstummel hervor und schminkte ihren Mund. Linus und Simon sahen ihr zu und blickten sich wortlos an.
    „Ich geh ´nen Kaffee von der Tanke holen“, sagte Linus und wollte gerade gehen, als sich die alte Holztür öffnete und ein Junge mit Hoodshirt, Baggy Pants und Kopfhörern heraustrat, um Richtung U-Bahn die Straße hinunterzugehen. Fast hätten sie ihn nicht erkannt.
    „Hey, Thorben!“, rief Edda.
    Erschrocken drehte er sich um. Sein Gesichtsausdruck hellte sich auf und ein Grinsen ging über sein Gesicht, das so breit und gebogen war wie ein Drahtseil, auf dem ein Elefant zu tänzeln versuchte.
    „Edda!“
    „Oh, Gott“, sagte Linus leise, als er das Grinsen sah, das nicht von Thorbens Gesicht verschwinden wollte.
    Edda und Thorben fielen sich kurz in die Arme.
    „Ganz schön verändert!“, sagte Edda und zeigte auf Thorbens Klamotten. Thorben nickte knapp und männlich; wie er es gern gewesen wäre.
    „Ich hab mit meiner Alten Klartext geredet und gut is’.“
    „Der kann sein Glück kaum fassen“, sagte Simon leise. Noch hatte Thorben die beiden Jungen nicht gesehen. „Wahrscheinlich malt er sich gerade schon die Rentenzeit mit Edda aus.“
    „Bist du ... wegen mir gekommen?“, erkundigte sich Thorben vorsichtig. Es gelang ihm beinahe, beiläufig zu klingen.
    Edda nickte.
    „Thorboy, ich brauch deine Hilfe.“
    „Was immer du willst. Und ... noch mehr.“ Thorben schmolz. „Was machst du eigentlich hier ... in Berlin? Bist du abgehauen?“
    Mit einer Handbewegung deutete Edda zum Spielplatz auf Linus und Simon, die beide gleichzeitig die Hand hoben und näher kamen. Nun verschwand der freudige Ausdruck aus Thorbens Gesicht und seine Stimme klang eine Oktave tiefer.
    „Ach so.“
    „Ohne dich kommen wir nicht weiter.“
    „Habt ihr Scheiße gebaut?“
    Edda ignorierte die Frage.
    „Weißt du, wo wir unterkommen können? Für ein, zwei Tage?“
    „Können wir vielleicht bei dir pennen?“, fragte Linus. „Deine Mutter wird vielleicht nicht begeistert sein, aber ... Wir haben sonst keinen Platz in der Stadt.“
    Thorben plusterte sich ein wenig auf.
    „Meine Alte is nicht das Problem. Die hab ich im Griff.“ Er versuchte, betont gelassen zu wirken. „Aber ich muss wissen, was los is – und ich muss jetzt echt zur Schule“, fügte er etwas kleinlauter hinzu.
    „Kannst du die erste Stunde nicht ausfallen lassen?“, fragte Edda. Wie konnte sich einer wegen der Schule in die Hose machen, nach dem, was ihnen passiert war! Aber woher sollte Thorben davon wissen? Thorben spürte, dass sein letzter Satz in krassem Gegensatz zu seinem bisherigen Auftreten stand und schürzte die Lippen, um seinem Gesicht einen markanten Ausdruck zu geben.
    „Na logo kann ich das! Aber ich will wissen, warum!“
    Thorben ging voran, zurück in das alte Mietshaus. Die drei folgten ihm in eine winzige, dunkle Wohnung mit einem langen Flur, von dem zwei Zimmer, das Bad und eine Küche abgingen. Auf dem Küchentisch vor dem Fenster standen die Überreste eines kleinen Frühstücks. Auf den zwei Regalen staubten neben dem Geschirr Unmengen von Porzellanengeln und Zwergen ein. Ein paar Harlekinmarionetten hockten herum und weinten seit Jahren still vor sich hin. Aus dem Fenster blickte man in einen kleinen Berliner Garten. Ein mickriges, eckiges Stück grauer Rasen. Begrenzt von einer Brandmauer und einer Reihe Mülltonnen, die vor alten Kartons und Mülltüten überquollen. Weit und breit waren sie die einzigen Farbtupfer in der tristen Landschaft und passten hervorragend zu der Ente und dem Pferdchen auf dem

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