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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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...?“ Elisabeth meinte diesen schmerzenden Griff und die folgende Erlösung.
    Olsen sah sie an und zuckte mit den Schultern. Die Gedanken in seinem Hirn rasten. Er wusste genau, wie er Menschen Schmerzen zufügen konnte. Was schlummerte da in ihm? Wäre es besser, wenn er sich selbst nicht auf die Spur kommen würde?
    „Sorry.“ Olsen wandte sich ab und versprach Elisabeth, dass er sie verlassen würde, sobald es dunkel geworden sei und er im Schutz der Nacht seines Weges gehen könnte. Da spürte er ihre Hand auf seinem Arm. Er drehte sich zu ihr um, sah ihr zartes Lächeln. Sie betrachtete ihn. Er konnte ihren Blick nicht halten. Wollte sich ihr entwinden, aber da war so viel Zärtlichkeit, so viel Mitgefühl in ihren Augen, in ihren Händen, die ihn hielten, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Vorsichtig näherte sie sich ihm noch weiter. Er spürte ihren Atem auf seiner Haut. Sie verharrte. Wartete. Würde er die letzten Zentimeter überbrücken? Olsen tat es nicht. Da nahm Elisabeth seinen Kopf in ihre Hände. Behutsam, weil er so verletzlich schien. Sie nahm seinen Kopf, schloss die Augen und gab ihm einen Kuss. Olsen spürte ihre Lippen auf den seinen. Wie automatisch umschlossen seine Arme den Körper dieser Frau, die ihm das Leben gerettet hatte.
    War das wirklich ein Lächeln? Kein Zweifel. Da war ein Lächeln in ihrem Gesicht. Elisabeth sah ihren Mund mit den unzähligen kleinen Falten. Er hatte sich sanft in den Winkeln nach oben gezogen und es war, als begebe er sich damit vorsichtig auf unbekanntes Terrain. Sie freute sich darüber. Zu lange hatte sie keinen Grund gehabt zu lächeln. Jetzt, da dieser Fremde nebenan in ihrem Bett lag, war das Lächeln in ihr Leben zurückgekehrt.
    Sie staunte. Staunte darüber, dass sie gerade für einen winzigen Moment das Gefühl gehabt hatte, in das Gesicht ihrer Mutter zu schauen. Als Kind hatte sie ihr immer so gerne beim Kämmen der langen Haare zugeschaut, während das Badewasser warm und dampfend in die Wanne lief. Glück war das. Geborgenheit. Wenn dieser Moment doch nie vergangen wäre. Alles, was folgte, nie passiert wäre. Dieses Leben, das sie immer wieder für kurze Zeit am Glück hatte schnuppern lassen, um es ihr dann wieder zu entreißen.
    Elisabeth zwang sich, sich darauf zu konzentrieren, wie sie das » Fatal Red « von Maybelline Jade aus seinem Gehäuse drehte und über ihre Lippen gleiten ließ. Zum ersten Mal seit jenem schrecklichen Tag vor zehn Jahren konnte sie wieder an ihre Tochter denken, ohne zu weinen. Es war Jettes Lippenstift, es war ihre Bürste.
    Als Olsen aufwachte, lag Elisabeth neben ihm. Sie hatte ihn eine Zeit lang schon beobachtet. Es war so schwer, aus diesem Mann schlau zu werden. War es das tiefe, dunkle Geheimnis, das sie an ihm so faszinierte? Waren es die Kämpfe, von denen die Narben erzählten? War es ihre eigene Sehnsucht nach einem Gefährten, die sie lächeln ließ, als sie ihn da schlafend neben sich betrachtete. Elisabeth war ausgebrochen aus dem Trott der letzten Jahre und sie war stolz darauf. Das Glück hatte sie wieder ein wenig näher kommen lassen.
    Wortlos erhob sich Olsen aus dem Bett. Er ging ins Bad unter die Dusche. Er war im Begriff sich einzuleben, sich langsam wohlzufühlen. Das fühlte sich nicht nur gut an. Es war auch eine Bedrohung. Irgendetwas in ihm verbot ihm, sich zu sehr auf Elisabeth einzulassen. Olsen fluchte über dieses Gefühl. Er war schizophren. Das musste es sein. Das war kein Instinkt, der ihn führte. Er war nur eine gespaltene Persönlichkeit. Warum also sollten sich die Spezialisten in Zürich nicht ihre klugen Köpfe über seinen zerbrechen? Was konnte er verlieren?
    „Dein Leben.“ Die Antwort hallte durch seinen Kopf wie ein Echo. Die Vernunft übernahm wieder das Kommando. Der Instinkt. Der Profiler. Wie sollte er eine Zukunft haben, wenn er seine Vergangenheit nicht kannte? Man hatte versucht ihn umzubringen. Wenn er herausbekommen wollte, wer dahintersteckte und welche Motive der Täter hatte, dann war es seine beste Tarnung, wenn dieser Unbekannte weiter annahm, er sei tot. Olsen durfte nicht an die Öffentlichkeit.
    Elisabeth hatte Tee gekocht. Sie hatte sich in einen Morgenrock gewickelt und redete so unverfänglich über das Frühstück, dass Olsen sofort klar war, wie unsicher sie wegen der vergangenen Nacht war. Er ging zu ihr, gab ihr einen Kuss und kümmerte sich dann um die Toasts. Und während er wie ein Amerikaner die Ränder der Toasts abschnitt,

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