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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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Uniformen. Zigaretten, Lucky Strikes. Die amerikanische Flagge. Die Treppe ins Dunkel. Befehle, auf Deutsch. Schreie.
    Olsens Puls raste. Vor seinen Augen tauchte ein Mann auf, festgeschnallt auf einer Liege. Olsen versuchte, sein Gesicht zu erkennen. Es wollte die Szene vor seinem geistigen Auge nicht scharfstellen. Doch er kannte diesen Mann. Sein Schreien verursachte Olsen Schmerzen. Olsen wollte fort aus dieser Erinnerung. Aber sie war zu präsent. Hände, die seinen Kopf fixierten, die ihn zwangen hinzuschauen. Immer wieder suchten seine Augen zu entkommen. Zu der Uhr, die über der Liege an der Wand hing. 9:53 Uhr. In Olsens Kopf dröhnte eine Stimme. „Die Injektion beginnt.“ Da stand ein Mann in weißem Kittel und sprach ein Protokoll der Qualen auf ein Diktafon. Der Mann auf der Liege bäumte sich auf.
    „Ruhelose Bewegungen, Protest gegen die Injektion.“ Flucht zur Uhr. „9:55 Uhr, Injektion endet.“ Olsens Blick wurde getrübt von Tränen. „9:59 Uhr, Patient sehr ruhelos, muss von der Schwester festgehalten werden, nicht ansprechbar, wildes Rudern mit den Armen, heftiges Schwitzen.“
    Unfassbar teilnahmslos klang die Stimme des Arztes.
    „10:01 Uhr, komplette Versteifung des Körpers, schnarchendes Atmen; 32-mal pro Minute. Puls 120. Zähne zusammengebissen. Schaum vor dem Mund, rollende Augenbewegungen.“ Olsen wollte etwas rufen, schreien. Doch er brachte nur noch ein einziges Wort hervor. „Vater!“
    Niemand reagierte darauf. Gnadenlos wurde das Experiment weitergeführt und protokolliert.
    „10:04 Uhr, Verkrampfung der Rückenmuskulatur. Steife Extremitäten, Pupillen leicht erweitert, reagiert nicht auf Licht. Weiterhin starkes Schwitzen. Tremor der unteren Extremitäten, Schaum vor dem Mund. Unregelmäßig versteifter Kiefer.“
    Olsen spürte, wie er seinen Widerstand aufgab. Er konnte nicht mehr.
    „Proband fällt ins Koma.“
    „Stop! Stop!“ Olsen schrie Elisabeth an. Erschrocken fuhr sie an den Bürgersteig. Olsen riss die Tür auf. Musste sich übergeben.
    Dr. Fischer hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen. Amnesie war das Stichwort, das ihm sein ehemaliger Schüler genannt hatte. Ein besonders schwerer Fall nach einem Tauchunfall. Viel mehr Informationen hatte Dr. Fischer nicht bekommen. Er legte sich seine Fachbücher zurecht. Blätterte durch Forschungsarbeiten und hielt auf einmal inne. Tauchunfall? Zu dieser Jahreszeit? Dr. Fischer ging an seinen Atlas und schlug die Karte von Hessen auf. Der Kollege arbeitete jetzt in Frankenberg. Das war nicht weit vom Edersee. Dr. Fischer schloss den Atlas langsam und stellte ihn zurück in das Regal. War das möglich, was er da gerade vermutete? Er verwarf seinen Verdacht wieder. Er hatte Clint als umsichtigen Kämpfer erlebt. Über all die Jahre. Unmöglich, dass ihm solch ein Fehler hätte unterlaufen können. Fischer spürte dennoch eine Besorgnis. Er ging in den Park des Altenheims, dorthin, wo ihn niemand beobachten oder hören konnte, und wählte mit seinem Handy Clints Nummer.
Es meldete sich nur die Mailbox. Dr. Fischer versuchte es noch ein paarmal. Ohne Erfolg. Er sprach nichts auf Band. Ihm war klar: Er war allein. Auch gut. Er hatte keine Angst.
    „Zu alt, um Angst zu haben.“ Dr. Fischer wusste nicht mehr, wo er den Spruch gelesen hatte, aber er fand, dass er sehr wahr war. Er hatte keine Angst und keine Skrupel. Er würde gewappnet sein.
    Elisabeth lenkte ihren Kombi auf den Parkplatz des Altenheims. Olsen sah sich um, bevor er ausstieg. Da war nichts, was ihn sonderlich beunruhigte. Das hier war nicht die Villa aus seiner schrecklichen Erinnerung. Also folgte er Elisabeth in das alte Gebäude.
    Dr. Fischer blieb ruhig. Er lächelte. Er hatte seine Sinne eben doch noch beisammen. Er legte das Fernglas beiseite. Gerade hatte er Olsen erkannt. In dem grünen Kombi. Dieser Mann faszinierte Dr. Fischer. Wie viele Leben hatte Olsen? Der Arzt empfand durchaus so etwas wie Respekt für ihn. Aber das würde ihn nicht davon abhalten, Clints Aufgabe zu Ende zu bringen. Schade um die Frau, die Olsen begleitete.
    Am Empfang meldete sich Elisabeth als Besuch für Herrn Professor Dr. Fischer an.
    „Wenn Sie mir bitte folgen wollen ...“ Eine Pflegerin ging voran und Elisabeth und Olsen folgten ihr bis in den ersten Stock.
    „Das letzte Zimmer rechts“, erklärte die Pflegerin und klackerte über den blank gebohnerten Gang zurück. Elisabeth und Olsen erreichten die schwere Holztür, an der Fischers Name stand. Sie

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