Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
klopften.
„Herein!“ Fischer öffnete die Tür und lächelte. Hinter seinem Rücken verbarg er eine Spritze. „Immer nur hereinspaziert.“
Er musterte Olsen genau. Nichts an seiner Haltung, nichts in seinem Blick, keine Regung verriet, dass Olsen Dr. Fischer wiedererkannte.
„Bitte nehmen Sie Platz!“ Dr. Fischer legte beruhigt und unbemerkt die Spritze wieder zurück in seine Arzttasche, während die beiden sich setzten. Dann setzte er sich zu den beiden Gästen, servierte seine Lieblingskekse, Russisch-Brot, und ließ sich von Elisabeth Olsens kurze Geschichte erzählen. Schnell war Fischer klar, Clint hatte nicht versagt. Er hatte mit Sicherheit das Gelände sondiert, nur unter Wasser hatte er nicht nach Zeugen nachgesehen. Das war entschuldbar. Und im Grunde war Dr. Fischer beglückt von dem Umstand, dass Olsen wieder vor ihm saß. Denn fachlich höchst interessant war für ihn die Tatsache, dass Olsen nur englisch sprach. Es passte zu der Diagnose der Amnesie. Damit war bewiesen, dass das alte, das allererste Programm als Einziges in Olsens Hirn durch das Trauma des Nahtodes nicht „gelöscht“ worden war. Diese Programmierung der » Operation Artischocke « aus dem Jahre 1957 war offenbar jetzt wieder aktiv.
Dr. Fischer hatte als junger Neurologe an den Programmierungsversuchen der CIA damals in Kronberg teilgenommen, nicht weit von Oberursel. Es erfüllte ihn nun mit Stolz, dass die Arbeit von damals so lange Bestand hatte, während alles andere der Amnesie anheimgefallen war. Clint hatte Dr. Fischer berichtet, dass Olsen durch seinen Autounfall so etwas wie ein schlechtes Gewissen entwickelt hatte und untauglich für weitere Einsätze geworden war. Es sah aus, als wäre dieses Gewissen nun wieder verschwunden.
Olson hörte aufmerksam zu, was Elisabeth berichtete. Keine Sekunde ließ er dabei Dr. Fischer aus den Augen. Er wollte jede Regung mitbekommen, die eine Interpretation seiner Situation sein konnte. Aber im Gesicht des Arztes konnte Olsen nichts lesen.
Schließlich hatte Elisabeth ihren Bericht beendet. Dr. Fischer schwieg. Es gefiel ihm, den Eindruck zu erwecken, dass er nun an einer Diagnose, einem Befund arbeitete. Auch wenn er das, was er zu sagen hatte, schon längst wusste. Schon als er Olsen erkannt hatte.
„Hier kann ich leider nichts für Sie tun“, sagte Dr. Fischer schließlich. „Aber wenn Sie mögen: Ich arbeite ab und an noch in einer kleinen Praxis in Frankfurt.“
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Motor FM spielte » Strange Days « . Seit einer Weile schon glitten Edda, Linus und Simon auf der Musik durch die fremde Stadt. Merkwürdigerweise hatte keiner von ihnen das Bedürfnis zu sprechen, seit sie aus der Wohnung von Thorben und seiner Mutter gekommen waren. Keiner von ihnen hatte Lust auf ein Leben, in dem sich der Alltag darum drehte, wie man Geld besorgen, wo man die nächste Nacht verbringen und wie den nächsten Tag überleben könnte. Die Dinge waren ihnen entglitten. Ausweg nicht in Sicht. Stattdessen: die nächste Nacht. Und die Frage, wo sie sie verbringen sollten. Als sie anfingen im Kreis zu fahren, beugte Edda sich nach vorn zu den beiden Jungs.
„Meinetwegen können wir doch zu diesem Typen ... Bonbon oder Bonobo oder wie der heißt.“
„Bobo“, sagte Simon. „Is aber keine gute Idee, da einfach zu dritt aufzutauchen. Das Loch, in dem die hocken, ist voll schräger Typen.“
„Aber dieser Bobo ist doch okay, hattest du gesagt“, sagte Linus. „Wen kennen wir sonst hier?“
Simon wog den Kopf hin und her.
„Vielleicht sind schräge Typen ganz hilfreich, wenn wir Marie befreien wollen. Die hatten dich doch sogar in den Knast gebracht. Wie heißt die Kneipe?“, fragte Edda entschlossen und nahm sich den Laptop, um gleich nach der Adresse zu suchen.
„‚Glühwurm‘ oder so ähnlich“, antwortete Simon. „Aber mit ‚schräg‘ mein ich eher ‚gefährlich‘.“
„Ich hab ja euch. Ihr beschützt mich, oder?“
Sie lächelte und schaute zu den beiden nach vorne.
„Ach, Edda“, seufzte Linus.
Während er fuhr, schaute Edda im Computer nach, fand die Adresse und ließ die Route berechnen. Linus lenkte und schaltete und fragte sich, wie lange die Angstfreiheit in Bezug auf das Autofahren wohl anhalten würde. Ewig? Eigentlich war er der Meinung, mittlerweile perfekt fahren zu können. Wenn er mal die Verkehrsregeln nicht erahnen konnte, ließ er einfach den anderen die Vorfahrt oder wartete, bis jemand hinter ihm hupte und herumbrüllte.
„Nächste
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