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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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wie ein sanftes Absinken auf einen tiefen Boden. Zu der Edda, die sie eigentlich sein sollte. Die niemand beeinflusst hatte. Die Edda, die am Anfang stand, und die Edda ein ganzes Stück schon verlassen hatte. Aber jetzt kam sie zurück. Mit jedem Atemzug ein Stückchen näher heran an die reine Idee, die von ihr existierte wie ein Masterplan. Edda spürte die Freude darüber, dass es einen Weg zurück dorthin gab. Auch wenn sie dafür von all den angelernten und lieb gewonnenen Vorurteilen und Ängsten lassen musste. Dann erkannte sie ihr Potenzial. Es war nicht zu sehen, es war nicht zu fühlen, zu schmecken. Es war ganz einfach da. Es war bereit, genommen zu werden. Doch Edda erschrak und riss sich den Kopfhörer herunter.
    „Alles in Ordnung?“, fragte Linus noch einmal. Edda wandte den Kopf zu ihm und lächelte.
    „Jetzt du. Ist großartig“, sagte sie. „Zu schön. Ich hab das nicht ausgehalten.“
    „Zehn Minuten“, sagte Linus und setzte sich in freudiger Erwartung die Kappe auf. Er stellte alles wieder so ein wie bei Edda. Die hypnotischen Bilder zogen seinen Blick an und er versenkte sich in sie. Das Rauschen, das die unhörbaren Frequenzen übertönte, machte ihn ruhig. Edda sah Linus zu, doch in ihren Gedanken war sie immer noch bei der Begegnung mit sich selbst. Bei diesem klaren Moment, der sie so erschreckt hatte. Weil sie begriff, dass für sie alles möglich war. Dass all die Einschränkungen, die sie sich auferlegt hatte, nie in ihr angelegt waren. Sie hatte sie nur angenommen. Freiwillig hatte sie sich Schranken auferlegt, auferlegen lassen. Sie dachte an die alte Frau, die sie für GENE-SYS gewinnen wollte. Sie hatte ihr genau das vermitteln wollen. Sie hatte erkannt, wozu Edda wirklich fähig war.
    Edda überlegte, ob es doch ein Fehler gewesen war, das Angebot auszuschlagen, die Zukunft der Menschen mitbestimmen zu können. Die Freundschaft zu Linus wäre der Preis gewesen. Sie sah zu ihm. Linus war ihr nah. Dass sie sich mit ihm auch ohne Worte verständigen konnte, war doch ein Zeichen, dass sie sich nah waren. Dass sie auf einer Wellenlänge lagen. Außerdem war er wirklich attraktiv. Toller Körper ... Edda vernahm diese Sätze, als würden sie von einer fremden Stimme gesprochen. Von der Edda, die sie in Cuxhaven gewesen war. Jetzt war sie die Edda in Berlin. Und eben war sie der Edda begegnet, die sie am meisten faszinierte. Sie war auf dem Weg dorthin. Aber sie war noch nicht angekommen.
    Als Edda nach zehn Minuten die Geräte abstellte, saß Linus noch einige Sekunden reglos da, als wäre er eine Figur bei Madame Tussauds.
    „Und?“
    Wortlos drehte Linus den Kopf zu Edda.
    „Ich liebe dich“, sagte er. Ruhig und klar. Keine Angst mehr vor diesen drei Worten.
    Simon hatte sich auf die „Terrasse“ zurückgezogen und schaute dem Rauch seiner letzten Zigarette hinterher. Fast eine Stunde hatte er hier oben schon nachgedacht. Unter ihm, im Erdgeschoss, lachten Edda und Linus jetzt wieder, nachdem es lange sehr ruhig gewesen war und Simon sich nicht getraut hatte, hinunterzugehen. Er wollte nicht sehen und bestätigt bekommen, was er ahnte. Ihm wurde klar, dass die schönen letzten Tage nur ein Schein gewesen waren. Er hatte sich mit den Aufgaben, die er übernommen hatte, nur selbst getäuscht. Er wollte wichtig sein, genauso wichtig wie Linus, der Stratege. Aber er passte einfach nicht in dieses Trio. Er mochte Edda nicht, wie sie da unten angeschickert kicherte. Er mochte auch den Angeber Linus nicht. Er musste weg hier. Weit weg.
    Sein Blick suchte im Dämmerlicht nach dem Horizont. Da sah er sie kommen. Eine Gruppe Jugendlicher löste sich aus den Büschen jenseits der Gleise und schwärmte auf ihr Häuschen zu. Simon erkannte die neongelbe Kappe des Jungen, mit dem er um die warme Jacke gestritten hatte. Und er sah die Baseballschläger in ihren Händen. Mit wenigen Schritten war Simon die Stufen hinuntergesprungen. Erschrocken blieb er stehen. Da standen Edda und Linus und küssten sich.
    „Wir kriegen Besuch. Und der wird nicht nett sein!“ Simon hörte sich selbst zu, was er da schrie. Um zu warnen. Aber auch um Edda und Linus auseinanderzubringen. Und um sich selbst davon abzuhalten weiter über diesen Kuss nachzudenken. Mit einer Handbewegung hatte er die Kerzen zusammengeschoben und gelöscht. Dann deutete er hinaus. Das waren mindestens fünfzehn Jugendliche, die da heranmarschierten.
    „Wir müssen abhauen!“, rief Simon und berichtete in knappen Worten von

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