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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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von ihrer Wange auf die faltige Haut ihrer Hand fiel. Wie lange war es her, dass sie zuletzt geweint hatte? Bill, dachte sie. Der Tag, an dem die Nachricht kam, dass er mit seinem Flugzeug ins Meer gestürzt sei. Seltsamerweise freute Greta die Träne. Sie führte die Hand zu ihrem Mund und leckte die Träne ab. Greta schmeckte nichts. Sie seufzte leise – auch das eine Folge der Medikamente. Greta stellte sich den Geschmack vor. Sie wusste, dass sie so ihr Gehirn überlisten konnte. So, wie sie sich vor vielen Jahren eingeredet hatte, dass sie laufen könne. Und dann, eines Tages, war sie aufgestanden und gegangen. Ganz zart schmeckte Greta das Salz ihrer Träne.
    Dann schlief sie beruhigt ein. Und wachte erst auf, als sie das eindringliche Klingeln des Alarms hörte.
    | 2212 |
    Edda und Simon hatten Linus gedrängt, den mysteriösen Apparat aus der Heckklappe von Olsens Wagen in ihr Häuschen zu schleppen und ihnen zu erklären.
    „Sieht aus wie ’ne Gruftibadekappe“, lachte Edda. Zum ersten Mal, seit sie auf der Straße lebten, ging es ihnen gut. Richtig gut. In den letzten Tagen waren sie dem planungswütigen Linus gefolgt und hatten einen Tagesablauf zusammengestellt, der ihnen einerseits die zwanzig Euro sicherte, die sie brauchten, um über den Tag zu kommen, der aber auch Edda und Linus genug Zeit ließ, die Befreiung von Marie zu Ende zu planen. Sie arbeiteten Hand in Hand. Simon war früh auf den Beinen und schlüpfte heimlich in einige der ersten ICE-Züge, die in der Hauptstadt ankamen, sammelte alle gelesenen Tageszeitungen ein, ordnete sie und verkaufte sie für die Hälfte des Preises weiter. Schon gegen zehn Uhr morgens hatte er circa 20 Euro zusammen. Dann kaufte er ein. Billig und viel für die Jungs, gesund für Edda. Bei der Caritas-Anlaufstelle für obdachlose Jugendliche hatte er Klamotten für sich, Linus und Edda bekommen, sodass sie nach dem Duschen in den Umkleidekabinen einer nahen Schule ihre Kleider wechseln konnten. Doch sie merkten auch, dass die Stra ß e ihnen nicht allein gehörte. Dass die öffentlichen Räume aufgeteilt waren, durchzogen von unsichtbaren Grenzen und bevölkert von Stämmen, die im Museum für Völkerkunde keiner kannte. Beim Streit um eine warme Jacke war Simon mit einem älteren Jugendlichen aneinandergeraten. Der hatte eine neongelbe Kappe auf dem kahlen Kopf und sprach mit russischem Akzent. Nachdem der Streit von einem Sozialarbeiter geschlichtet worden war, drohte er Simon, dass sie sich wiedersehen werden. Simon hatte nicht darauf reagiert, hatte ihm nur den Mittelfinger gezeigt und war gegangen.
    „He! Scheißer! Komm her!“, hatte der Russe ihm hinterhergeschrien. „Den Finger, den schneid ich dir ab!“
    Vielleicht hätte sich Simon auf dem Weg zurück über die Gleise doch einmal umsehen sollen.
    Simon mochte seine Arbeit. Er war es, der den Laden am Laufen hielt, wie Edda es formulierte. Da sie an diesem Tag mit der großzügigen Spende eines Mannes mit japanischem Aussehen fast vierzig Euro eingenommen hatten, kaufte er einen Campingkocher und Geschirr und kochte einen Berg Nudeln mit Fleischsoße. Sogar an Parmesan und Wein hatte er gedacht.
    „Bolognese?“, fragte Linus, noch bevor er das Bahnwärterhäuschen betreten hatte. Als er mit Edda dann hereinkam, staunten sie über das, was Simon da gezaubert hatte. Auf dem Tisch standen Stummelkerzen, Nudeln, Teller, Tassen für den Wein und Campingbesteck. Warmes Essen. Selbst gemacht. Es machte sie glücklich und sentimental, zusammen mit dem ungewohnten Wein trieb es ihnen Tränen in die Augen. Es glich fast einem Schritt zurück in die raue Wirklichkeit, als Simon nach der Apparatur in dem Wagen fragte. Endlich erklärte sich Linus bereit, die Sache zu erklären.
    Sie platzierten den Computer auf dem Brettertisch im Schein der Kerzen und Linus setzte die Kappe auf, von der die Drähte abgingen und über ein Steuerungsgerät zurück in den Computer führten.
    „Ich weiß nicht warum, aber es lässt die Angst verschwinden. Man muss noch die Kopfhörer aufsetzen und die richtige Frequenz einstellen“, schilderte Linus.
    „Was ist die richtige Frequenz?“, fragte Edda und kicherte. „Meine Wellenlänge?“ Sie drehte am Knopf des Steuerungsgerätes. „Oder macht die dir erst recht Angst?“
    Simon nahm ihre Hand weg.
    „Bitte, Edda! Das ist kein Spielzeug.“ Er war derjenige von den dreien, der noch am nüchternsten war.
    „Und du, bist du ein Spielzeug? Mein Spielzeug?“, fragte Edda

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