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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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seiner Auseinandersetzung. Doch Linus sah ihn ganz ruhig an.
    „Das werden wir nicht!“, entgegnete er und Edda bestätigte das. Simon war irritiert, dann blickte er auf die Kappe und den Computer. Der Rechner war eingeschaltet und das Steuerungsgerät blinkte.
    „Seid ihr wahnsinnig?“ Simon begriff, dass seine Vermutung, Edda und Linus hätten miteinander geschlafen, falsch gewesen war. Sie hatten dieses verdammte Gerät ausprobiert. Sie hatten ihre Angst abgeschaltet. Hatten sie sich deshalb geküsst?
    „Sollen sie nur kommen“, sagte Edda. „Wir geben unser Heim nicht kampflos her!“
    Simon begriff, dass die Freunde nicht zu bekehren waren.
    Der neongelbe Russe und seine Leute hatten das Häuschen erreicht. Er gab ein paar Handzeichen und sie verteilten sich so, dass das kleine Gebäude sofort umstellt war. Dann begannen sie mit den Baseballschlägern auf die Schienen zu schlagen. Zuerst noch war es ein wildes, metallenes Durcheinander, dann aber formte sich daraus ein bedrohliches Hämmern. Linus packte sich die leere Weinflasche und wollte hinausstürmen. Simon aber hielt ihn zurück und bevor die beiden anderen reagieren konnten, war Simon nach draußen verschwunden.
    „Nettes Häuschen, du Opfer!“, grinste ein Junge neben dem Russen. Er sprach Deutsch ohne Akzent und hatte eine pechschwarze Strähne weit in sein blasses Gesicht gekämmt, als wolle er ein Double von Marilyn Manson werden. „Du hast meinen Freund beleidigt, hab ich gehört.“
    „Ihr könnt die Jacke haben“, versuchte Simon die Sache zu deeskalieren.
    „Zu spät“, sagte „Marilyn“. „Wir wollen das Häuschen da!“
    „Für’n Arsch!“, schrie da auf einmal Linus und stürmte mit Edda heraus und auf „Marilyn Manson“ zu. Der war so überrascht, dass er den ersten Angriff nicht abwehren konnte. Schon lag er unter Edda und Linus im Gleisbett. Doch dann war seine Gang bei ihm. Sie packten Edda und Linus, zerrten sie weg. Dazu mussten sie alle Kraft aufwenden und es brauchte sechs der Jungs, um die beiden zu bändigen. Simon lag bereits benommen am Boden. Er hatte in das Häuschen zurücklaufen wollen, um seine Waffe aus seiner Jacke zu holen. Da war der Russe schon bei ihm und zog ihm eins mit dem Baseballschläger über.
    Der Anführer lachte. Ihm gefiel Edda, die ihn so mutig angegangen war. Ganz nah kam er ihr und versprach ihr eine wunderschöne Zeit. Da spuckte ihm Edda ohne Kommentar ins Gesicht. „Marilyn“ hielt kurz inne, lachte wieder, wischte die Spucke mit einem Finger weg und steckte ihn in seinen Mund.
    Kurz darauf lag Simon zwischen zwei Gleisen, an deren Glanz man erkennen konnte, dass sie viel befahren waren. Die Gang hatte seine Füße mit Schnüren an die Schienen gefesselt. Mit einer Kette hatten sie seinen Mittelfinger gesondert befestigt. Dann gaben sie ihm eine Zange in die andere Hand, mit der er zwar nicht seine Füße, aber doch die festgekettete Hand erreichen konnte.
    „Du hast die Wahl“, sagte der Russe. „Leben oder dein verdammter Mittelfinger!“
    Dann setzte er sich in aller Ruhe zu den anderen. Sie hatten den Topf mit den Nudeln gefunden und aßen die Reste. Linus und Edda mussten zusehen, wie Simon auf den Gleisen lag. Sie wollten wegsehen, aber ihre Feinde zwangen sie hinzuschauen.
    Simons Atem raste. Schweiß stand auf seiner Stirn. Einige Züge passierten in sicherer Entfernung. Dann aber war das Signal einer ICE-Lok zu hören. Einmal. Zweimal. Es kam näher. Simon konnte den Kopf heben. Der Zug kam in seine Richtung. Noch bestand die Möglichkeit, dass das Gewirr aus Gleisen auch diesen Zug in eine andere Richtung lenken würde. Doch Simon spürte, wie die Vibration des ICE über die Gleise bis zu ihm getragen wurden. Er versuchte verzweifelt mit der Zange die Kette, die seinen Finger umwickelte, zu durchtrennen. Es war unmöglich. Wieder das Signal. Die Lichter kamen immer schneller auf ihn zu.
    „Hilfe!“, schrie Edda. Einer der Jungs schlug ihr ins Gesicht. Sie weinte.
    Linus bäumte sich unter den Griffen der Gang auf. Er hatte keine Chance. „Ihr bringt ihn um!“, schrie er in ohnmächtiger Wut.
    „Er bringt sich selber um, wenn er so an seinem Finger hängt!“, lachte „Marilyn“ und seine Gang grölte mit. Die Lichter des Zuges tänzelten nun plötzlich hin und her, als wollten sie Simon absichtlich narren. Mal links, mal rechts. Zwischen Hoffen und Verzweiflung. Dann aber lenkten die Weichen den ICE endgültig in Simons Richtung. Es gab keinen Zweifel mehr.

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