Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
fassen können, was Dr. Fischer ihm berichtete. Olsen lebte. Clints Gehirn hatte sofort alle Szenarien durchgespielt, wie sich Olsen gerettet haben könnte. Aber keines dieser Szenarien entsprach der Geschichte, die Fischer ihm erzählt hatte. Eine Frau war im Spiel gewesen.
Jetzt war Olsen wieder der Alte. Das hatte Dr. Fischer mehrfach versichert. Aber war er wieder der verlässliche Kamerad von früher? Clint kannte Olsen gut. Damals im Dschungel war er einer der Härtesten gewesen. Der Cleversten. Dass dieser Olsen sich hatte wieder umprogrammieren lassen, wollte Clint nicht so recht glauben.
Das Klopfen an die Scheibe unterbrach Clint in seinen Gedanken. Rob lächelte ihn an. Neben ihm stand das Mädchen mit dem Hund von Olsen. Clint ließ die Scheibe heruntergleiten.
„Das ist Judith“, stellte Rob das Mädchen vor. „Sie hatte zuletzt Kontakt mit Linus. Bevor er sich nach Berlin aufgemacht hat.“
Erst als Clint die Scheibe heruntergelassen hatte, konnte Judith das Gesicht des Mannes sehen. Clint gefiel ihr nicht. Und plötzlich begann auch Timber zu bellen. Judith versuchte ihn zu beruhigen.
„Hast du eine Ahnung, wo Linus stecken könnte? Oder was er vorhat?“, fragte Clint.
„Naja. Es ist ein bisschen peinlich“, sagte Judith und wand sich, was sich auch in der Haltung ihres Körpers fortsetzte.
„Du solltest alles sagen, was du weißt“, bat Rob. Clint beobachtete das Mädchen. Er achtete auf die Details, so wie er es immer tat bei Menschen, die er nicht kannte. Die Pupillen, die Gesten. Er wusste sofort, ob jemand ihn belog oder nicht.
„Wir haben gefickt und weil er’s nicht gebracht hat, hab ich ihn ausgelacht. Naja – da ist er abgehauen.“ Judith brachte das so lapidar, dass Rob schlucken musste. Clint zeigte keine Reaktion. Dieses Mädchen machte es ihm schwer. Entweder sie war wirklich dieses Luder, als das sie sich ausgab, oder sie spielte diese Rolle schon lange.
„Tut mir leid, aber das war wirklich zu schräg, was der gebracht hat“, sagte Judith noch. Da war Clint schon abgelenkt. Sein Handy klingelte. Er meldete sich mit einem unverfänglichen „Hallo“. Am anderen Ende war die Polizeistation in Berlin. Es ging um Linus und sie wollten Rob sprechen.
„Am Apparat“, sagte Clint. In keiner Weise ließ er sich anmerken, dass es gerade ziemlich unpassend war, denn Rob stand keine zwei Meter entfernt. Clint behielt die Nerven. Er hörte zu, vernahm, dass man Linus gefunden hatte und dass Rob ihn abholen könne. Clint nickte. Ließ hier und da ein „Ja“ oder „Nein“ einfließen. „Ich mache mich sofort auf den Weg“, sagte er am Schluss und legte auf. Dann wandte er sich wieder Rob zu.
„Notfall. Andere Geschichte. Ich halte Sie auf dem Laufenden, was Linus angeht.“ Dann startete er den Motor. Er fuhr auf den Autobahnzubringer nach Norden und nahm die Abfahrt Richtung Berlin.
Judith und Rob sahen ihm nach.
„Die Polizei hat solche Autos?“, wunderte sich Judith. Rob hörte das nicht mehr. Er war schon auf Distanz zu Judith gegangen und Richtung Pfarrhaus verschwunden. Judith hockte sich zu Timber und streichelte ihn.
„Du warst auch misstrauisch, was?“ Timber wedelte mit dem Schwanz. Er hatte mit dem Gekläffe aufgehört, als Clint losgefahren war. Judith überlegte, dann nahm sie ihr Handy und wählte Linus’ Nummer. Irgendwo im Gebüsch am Teufelsberg hätte jetzt das Handy geklingelt, wenn es noch Saft gehabt hätte. So aber meldete sich nur die Mailbox. Judith wartete den Text ab und das Signal, dann warnte sie Linus.
„Judith hier. Nicht weil ich dich vermisse oder so. Ist nur ... da ist so’n seltsamer Typ hinter dir her. Tut so, als wär’ er Kommissar. Isser aber nicht. Meint auch Timber. Pass auf dich auf.“ Judith verzog das Gesicht. Der letzte Satz war ihr so rausgerutscht und klang, als würde sie sich Sorgen machen. Das war ihr gar nicht recht. Auch wenn es die Wahrheit war. Linus hatte sich seit Wochen nicht gemeldet. Sie wählte noch einmal seine Nummer. „Ich noch mal. Also das mit dem auf dich aufpassen, das ... das hab ich gesagt, weil man das so sagt. Das hat nix zu bedeuten. Null. Nada. Klar? Niente. Also dann. Hasta luego.“ Sie legte auf und fand sich jetzt noch dämlicher als nach dem ersten Anruf. „Judith, Judith! Du bist so ... voll das Matschhirn!“
In der Kirche verstummte die Musik. Die Chorprobe war beendet und kurz darauf verließen die Sänger den modernen Bau. Judiths Mutter kam mit Robs Frau Helga zum
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