Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
Berlin“, sagte Linus schließlich. Die Hooligans verstummten und glotzten ihn glasig an. Linus hatte keine Ahnung von Fußball. Dieser stumpfsinnige Sport hatte ihn nie interessiert. Erwachsene Männer rennen hinter einem Ball her und die Meute johlt. Da war er seinen Eltern dankbar, dass sie ihm früh den Zweifel am Glück von Massenvergnügungen eingeimpft hatten. Umso weniger konnte er begreifen, dass seine Mutter und sein Vater sich von GENE-SYS hatten einfangen lassen.
„Ey, bistndufüreiner?“, lallte einer der Rot-Schwarzen, bewegte sich auf Antwort wartend vor und zurück und rülpste. Obwohl Linus einen guten Meter entfernt von ihm saß, erreichte ihn die Wolke aus Bier, Schnaps und Döner. Wie eine Giftspinne, die erst eine Betäubung setzt, um das Opfer dann zu verschlingen, kam der Hooligan jetzt näher. Und als hätten sie es wie ein Ballett einstudiert, flankierten ihn dabei seine beiden Kumpels.
„Isndasfüreiner?“
Linus erschreckte das nicht. Er wusste, es gab ein ganz einfaches Mittel, die Gefahr, die von diesen „Neanderballern“ ausging, abzuwenden.
„Olé, oléoléolé!“, skandierte Linus, und wie bei Pawlows Hunden mit dem Klingeln der Glocke der Speichelfluss einsetzte, waren die Hooligans auf diese drei Buchstaben konditioniert. Sie stimmten ein, nahmen selig Linus in ihre Mitte. Linus wusste nicht, ob eine Tracht Prügel diesem stechenden Gestank nicht doch vorzuziehen gewesen wäre. Er löste sich aus dem Kreis und die drei genügten sich wieder selbst und fuhren wieder nach Berlin, Berlin.
Linus zog sich auf eins der Betten zurück und versuchte, wieder Kontakt zu Edda aufzunehmen. Es gelang ihm nicht. Er hielt die Augen geschlossen und hoffte, dass er so den Hooligans unwichtig genug erschien und sie ihn in Ruhe lassen würden. Er merkte nicht, wie er einschlief.
Das Martinshorn weckte Simon. Draußen war es noch dunkel, doch es war sicher schon nach sieben. Schlüssel drehten sich im Schloss und schon stand ein Polizist in der Zelle.
„Aufstehen, Mädels“, sagte er und grinste. Was er im Spiegel beobachtete, gefiel ihm. Ein anderer Uniformierter trat an Simons Bett, packte ihn.
„Los. Ab zum Kommissar!“
Er hielt Simon am Arm und führte ihn hinaus. Simon ließ sich führen. Er stolperte verschlafen den Gang entlang. Vorbei an Büros, die teilweise offen standen. Kaffee wurde gekocht. Geraucht. Gequatscht. Simon wunderte sich, dass sie das Büro passierten, in dem er am Abend verhört worden war. Fragend sah er den Polizisten an, der ihn auf die Tür nach draußen zuführte.
„Nikto?“
„Halt die Klappe, Bürschchen“, sagte Nikto und klang wie ein fieser Bulle. „Der Chef will dir gewaltig an die Eier.“
Simon begriff nichts. Nikto stieß ihn nach draußen. Zielstrebig ging er auf einen der Streifenwagen zu. Er befahl den ungläubigen Simon hinein und fuhr los. Einfach so. Aus dem Innenhof hinaus auf die Straße. Den Alarm, der jetzt ausgelöst wurde, den hörten sie nicht mehr.
Simon konnte es nicht fassen. Er wusste nicht, ob er lachen sollte. Nikto schaute nur nach vorne. Erst jetzt sah Simon, dass er gar keine echte Uniform trug. Es hatte nur seine Jacke gewendet und das Innenfutter glich der Farbe der Polizeiuniformen. Die Mütze war auch kein Original, er hatte sie nur ein wenig so geformt.
„Sie sehen, was sie sehen wollen“, sagte Nikto in aller Ruhe.
Plötzlich meldete sich der Funk. Es ging um eine Schlägerei in Spandau und den Diebstahl eines Streifenwagens. Nikto grinste. Er sah Simon an. Nickte zum Funkgerät und Simon verstand. Er nahm das Mikro, räusperte sich, drückte auf die Sprechtaste.
„Wagen 23. Wir übernehmen.“
Nikto schaltete das Martinshorn und das Blaulicht ein und schoss bei Rot über die nächste Kreuzung. Simon heulte auf wie ein Wolf. Vor Begeisterung. Nikto gefiel das, es feuerte ihn an. Sie erwischten eine Rotphase und passierten jede Kreuzung mit Vollgas. Vollbremsungen anderer Wagen, huschende Fußgänger, quietschende Reifen ließen sie hinter sich. Nikto steuerte auf Berlin Mitte zu. Eine Extrarunde um die Goldelse, dann schoss Nikto aus dem Kreiselverkehr Richtung Potsdamer Platz.
Längst begleitete sie die Stimme aus dem Sprechfunk.
„Sie machen sich strafbar! Lassen Sie den Streifenwagen stehen. Sie gefährden sich und andere!“, ermahnte sie die Stimme.
„Haben verstanden“, funkte Simon übermütig zurück. „Die Polizei gefährdet sich und andere. Wir übernehmen!“
Abrupt bog Nikto
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