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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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auf seinen Namen und er hat auch deinen Ausweis.“
    „Dann überprüfen Sie ihn. Sein Passfoto!“, flehte Linus.
    „Es reicht jetzt“, knurrte Clint. „Helga und die Zwillinge wollen dich endlich wieder in die Arme schließen.“
    Als Linus immer noch keine Anstalten machte sich dem Druck von Clint zu beugen, packte der ihn kurzerhand, legte ihn über seine Schulter und schleppte ihn hinaus. Da half kein Schlagen und kein Schreien. Lachend schauten die Beamten hinterher.
    „Familie!“
    Hätten sie Clint und Linus weiter hinterhergeschaut, dann hätten sie gesehen, wie Clint draußen auf dem Parkplatz den strampelnden Linus zwischen Hals und Schulterblatt packte, zudrückte, um Linus dann schlaff und ohne Gegenwehr in den Van verfrachten zu können.
    Die Polizisten schauten nicht hinterher. Weil der Kollege Wolff lauthals und panisch verkündete, dass er seinen Ausweis vermisste. Er hatte schon überall gesucht. Heute morgen, als die zwei aus Zelle vier abgehauen waren, da hatte er den Ausweis noch gehabt. Ganz sicher. Und seine Kamera mit den Rechercheaufnahmen in dem Geldfälscherfall, die war auch weg.
    | 2219 |
    Das alte Heim für Kinder lag abseits der Stadt. Weit von allem Trubel entfernt im Grünen, sodass man tatsächlich hätte denken können, es wäre idyllisch. Schon zu DDR-Zeiten waren hier Kinder untergebracht worden, deren Eltern in den Westen geflohen oder gestorben waren. Obwohl man sich bemüht hatte, das äußere Erscheinungsbild der Anlage durch frische Farben und Bepflanzung zu verbessern, spürte Edda das Leid, das hier seit Generationen von den alten Mauern aufgesogen worden war. Manche Gebäude musste man einfach niederreißen, dachte Edda. Weil man sich automatisch duckte, den Kopf einzog, den Blick senkte. Vom freien Menschen zum Opfer wurde. Aber waren sie nicht alle Opfer?
    Wann war Edda je wirklich frei gewesen?
    Außer in ihren Träumen ...
    Als die Polizeibeamten wieder gefahren waren, brachte die Frau von der Rezeption Edda in einen Raum mit einer alten, unbequemen Sitzgarnitur und einem Bücherregal aus Holz, in dem verstaubte Therapiebücher standen, die scheinbar noch nie jemand gelesen hatte. » Die Gruppe « las sie auf den Buchrücken. » Trauma und Traumabewältigung « . Und » Grundformen der Angst « . Sie nahm das Buch in die Hand, blätterte es durch und legte es wieder weg. Es fühlte sich nicht gut an. Marie hatte ein Exemplar davon in Cuxhaven gehabt, doch Edda hatte immer einen Bogen darum gemacht. Als hätte sie nicht wahrhaben wollen, dass Angst einmal eine so große Rolle in ihrem Leben spielen würde, dachte Edda. Vielleicht hätte sie es früher lesen sollen. Vielleicht aber sollte sie lieber nicht auf die klugen Weisheiten anderer hören.
    In einer Spielecke waren Spielsachen und Stofftiere aufgereiht. Edda nahm einen flauschigen Hasen vom Regal und ließ sich mit dem Tier im Schoß in einen bunten Sitzsack fallen, der dem Raum etwas Jugendliches und Unbeschwertes geben sollte. Edda würden sie damit nicht reinlegen. Billige Kulisse.
    Als niemand kam um nach ihr zu sehen, begann sie den Hasen mit der Hand zu bewegen. Sie ließ ihn ihr Bein auf und ab wandern und immer, wenn er am Knie angekommen war, drehte sie ihn um und wirbelte ihn wieder nach oben. Nach zehn Minuten tauchte eine Psychologin in engen Hosen und weitem Pullover auf und begrüßte Edda, die mittlerweile mit dem Hasen auf den Boden gewandert war. Sie sah die krummen Beine der Psychologin, doch sie reagierte nicht.
    Nein, heute würde Edda nicht das Spiel der anderen spielen. Das Spiel darum, wer die Macht hatte, wem zu sagen, was er tun sollte. Wo er leben durfte und sollte. Weil der eine dem anderen mehr Angst machen konnte; weil er älter war, studiert hatte – oder die Macht hatte, jemandem einen Finger abzuschneiden.
    Heute würden sie IHR Spiel spielen. Ein paar Minuten tat die Psychologin so, als ob sie Edda interessiert zuschaue. Edda spürte, wie sie ungeduldig wurde – das war schlecht, entschied Edda. Eine gute Psychologin hätte versucht sich einzufühlen. Edda zog die Oberlippe hoch, sodass sie Hasenzähne hatte und wackelte mit dem Kopf:
    „Äußerst aufschlussreich: Äh, eine Fünfzehnjährige, die mit einem Stofftier spielt. Wurde sie traumatisiert oder gar misshandelt? Was hat diese Regression in die Kindheit zu bedeuten? Und warum hat sie den Hasen gewählt und nicht den Nacktmull? Wurde sie am Ende gar missbraucht und will es verdecken?“
    Für eine Sekunde erstarrte die

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