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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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plötzlich nach rechts ab. Dann noch einmal und ein drittes Mal. Dann hielt er an und wartete. Was hatte er vor? Bevor Simon fragen konnte, hatte er schon verstanden. Eine Reihe von Streifenwagen hatte sich an die Verfolgung der beiden gemacht. Sie schossen an ihnen vorbei. Anstatt davonzufahren, folgte ihnen Nikto. Er holte auf und jagte ihren Jägern hinterher.
    „Ist das beste Versteck. Einer unter vielen. Wie in einem Schwarm. Der Einzelne wird gar nicht mehr wahrgenommen.“
    Simon schaute den Jungen fasziniert an. Nikto war wie ein großer Bruder, den man bewundern konnte, bei dem man sich sicher fühlte. Vielleicht war die Nacht im Knast ja das Beste, was Simon hatte passieren können. Die erste Stunde danach jedenfalls war schon mal Adrenalin pur. Simon genoss die rasante Fahrt durch Berlins Straßen, er genoss die Macht, den Respekt, den ihr Wagen mit sich brachte. Umso mehr überraschte ihn, als Nikto den Wagen abbremste, nach links abbog und vor einer Polizeistation parkte. Sie stiegen aus und gingen davon.
    „Man muss immer wissen, wann der Spaß vorbei ist“, dozierte Nikto. „Das ist das Wichtigste überhaupt.“ Er blieb stehen, weil auch Simon stehen geblieben war. Nikto machte eine Geste ihm zu folgen. Simon überlegte. War das richtig? Nikto zuckte mit den Achseln und marschierte los.
    „So long.“
    Simon eilte hinterher und verschwand mit seinem neuen Freund in der wuselnden Masse von Passanten.
    | 2218 |
    „He. Aufwachen! Dein Vater ist da!“
    Linus riss die Augen auf und sah in das Gesicht des eitlen Polizisten.
    „Was?“
    „Dein Alter ist da, aus Köln. Er holt dich ab!“, sagte der Polizist und redete dabei, als hätte er es mit einem Idioten zu tun. Linus reagierte nicht darauf. „Rob“, schoss es ihm durch den Kopf. Er erwischte sich tatsächlich dabei, dass er nicht nur entsetzt war. Rob nahm seine Aufgabe als Vater ernst. Das gefiel ihm. Er war ganz anders als sein leiblicher Vater.
    „Woher weiß er, dass ich hier bin?“
    „Du verschwunden. Papa zu Polizei. Polizei suchen. Mit Computer. Überall. Dich hier finden. Papa anrufen. Happy Family!“
    Was für ein Idiot, dachte Linus. Er folgte dem Beamten, die Hooligans pennten noch. Olé. Linus bekam seine wenigen Utensilien ausgehändigt. Messer, Kompass, Schlüsselbund. Der Beamte deutet auf den Autoschlüssel, der an dem Ring befestigt war.
    „Auch noch Papa die Karre geklaut?“
    „Mamas Karre!“, sagte Linus und lächelte. „Karre in Garage. Schlüssel steckt. Ich rein. Motor an. Brummbrumm!“
    „Treib’s nicht zu toll, Freundchen!“ Der Beamte packte Linus an der Schulter und führte ihn in das Büro, in dem sein Ziehvater auf ihn wartete. Sie gingen an den offen stehenden Zellen vorbei.
    „Wo sind meine Freunde?“, fragte er besorgt.
    „Am besten, die schminkst du dir ab, wenn du noch ’n anständiger Mensch werden willst“, sagte der Beamte sehr ernst. Dann hatten sie das Büro erreicht. Der Polizist öffnete die Tür. Linus blieb das Herz stehen.
    Vor ihm stand: Clint.
    Clint hatte gehandelt, wie er es gelernt hatte. Weil es nicht logisch gewesen wäre, bei der Suche nach den Kindern auf den Zufall zu setzen, dass er ihnen in der großen Stadt irgendwann begegnen würde, hatte er darauf verzichtet, die Kinder in Berlin aufzustöbern. Er wusste, dass GENE-SYS permanent Daten über die drei Kinder sammelte, aber zu GENE-SYS zurückzukehren war keine Option. Er kämpfte jetzt seinen eigenen Kampf. Er musste diese Kinder zum Schweigen bringen.
    Clint hatte sich zurückgezogen, hatte kühl analysiert, was er wusste. Dieser Linus war Zeuge für den Mord, den Clint an Olsen begangen hatte. Alle drei waren Zeuge der erbärmlichen Schwäche, die Clint in dieser Souterrainwohnung heimgesucht hatte. Clint konnte sich immer noch nicht erklären, was da mit ihm geschehen war. Es gelang ihm, seine Beunruhigung darüber zu verdrängen. Weil er handelte. Das war immer schon das beste Rezept gegen düstere Gedanken gewesen. Gegen das eigene Gewissen. Schnell war Clint klar gewesen, dass er die Spur von Linus und seinen Freunden an einem ganz anderen Ort wieder aufnehmen musste. In Köln.
    In derselben Nacht noch war Clint Richtung Rhein aufgebrochen. Es war kurz vor halb elf Uhr am Vormittag des nächsten Tages, als er von Berlin kommend über die Severinsbrücke auf Köln zufuhr. Der Dom lag stolz im trüben Nebel des kühlen Herbsttages. Clint machte sich als Erstes auf den Weg zu Olsens Wohnung. Im Hinterhof der

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