Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
Vom Netzwerk:
Juden und anderen Verfolgten zu retten, und weil sie stattdessen lange Zeit mit Hitler paktiert hatten.
    „Irgendwann wird jemand deinen Vater und uns verraten“, sagte Jimmy. „Die meisten Menschen wehren sich nicht mal mehr, wenn das Böse sie selbst trifft. Und mit jeder verpassten Gelegenheit werden sie schwächer und schwächer ...“
    Immer wieder war Marie erstaunt darüber, wie engagiert Jimmy dachte, und doch gelangte er zu ganz anderen Schlüssen als ihr Vater.
    Jimmy nahm die Zigarette aus dem Mund. Ein Stückchen Papier blieb auf seiner Unterlippe kleben und er leckte mit der Zunge darüber. Das Papier verschwand. Sie standen auf dem Feldweg und starrten auf die Straße. Links ging es nach Hamburg. Rechts nach Bremerhaven. Marie wusste selbst nur zu gut, was passiert war. Armut, Geldentwertung, der verlorene Krieg, Menschen, die dafür zu Sündenböcken gestempelt wurden und auf die man alles Schwache und Schlechte projizieren konnte. Alles das war so perfekt und geschickt eingefädelt worden und mit sehr viel Geld aus der Industrie und dem Ausland inszeniert worden wie ein gigantischer Kostümfilm. Die meisten in Deutschland hatten auf der Seite der Gewinner gestanden und viel zu spät begriffen, dass sie ihre Seelen verkauft hatten und dass die alten Methoden der Menschen, sich zu wehren, untauglich geworden waren. So waren alle schuldig geworden, die etwas gesehen und nicht gehandelt hatten, aber auch alle, deren Augen nicht sehen konnten, weil sie blind waren vor Angst.
    Alle waren sie auf ihre Weise zum Teil des Bösen geworden.
    „Ein Kind, das seinen Vater verrät ... ist das ... böse?“
    „Es kommt darauf an, weshalb ein Kind so etwas tut“, sagte Jimmy.
    „Wozu ist das Böse überhaupt da? Wie ist es in die Welt gekommen? Wieso konnte es so mächtig werden – wenn doch alle kleinen Kinder einmal gut waren?“
    „Durch Angst und Not wird der Mensch in seinem Innersten verunsichert. Menschen, deren Leben wegen des kleinsten Vergehens ausgelöscht werden kann. Für einen Beweis der Nächstenliebe, des Mitgefühls, der Trauer – der Liebe. Irgendwann erlöschen sie ... oder werden böse.“
    Die Glut von Jimmys Zigarette fiel auf den Autositz. Mit einer Handbewegung wischte er sie fort. Marie wusste, dass es nicht mehr an der Zeit war zu reden. Sie musste eine Entscheidung treffen.
    „Nach rechts oder nach links?“, fragte Jimmy.
    „Glaubst du, in Amerika gibt es nichts Böses?“
    Die Zigarette war jetzt gefährlich klein und die Glut verbrannte Jimmy fast die Lippen.
    „Doch, das Böse in Deutschland ist das Gleiche wie in Amerika. Sie diskriminieren Neger und rotten die Indianer aus. Aber in Deutschland gibt es keine Möglichkeit mehr, es zu besiegen. In Amerika lohnt sich der Kampf noch.“
    Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und schnippte sie aus dem Wagen. Als sie auf der Straße aufschlug, sprühten Funken hoch.
    „Es gibt immer Hoffnung“, sagte Marie und versuchte, fest und überzeugt zu klingen.
    „Nein“, sagte Jimmy. „Wir haben zu lange gehofft. Wir müssen die Hoffnung vergessen. Sie bedeutet nichts mehr. Die Angst hat gewonnen und sie ist schlimmer zu bekämpfen als das Elend und die Not.“
    Marie merkte, wie ihr die Tränen kamen. Jimmy hatte recht. Er war realistischer als ihr Vater, der fanatisch sein musste, um an den Sieg seiner Sache zu glauben.
    „Vielleicht entsteht aber etwas Gutes aus dem, was Menschen im Angesicht des Bösen tun ...“
    „Wie denn? Willst du dein eigenes Leben diesem Regime opfern? Irgendjemand wird deinen Vater anzeigen und dann kommt ihr beide ins Lager!“
    Sie schwiegen düster.
    „Das Gute, das die Gemeinschaft der Menschen bisher zusammengehalten hat, gibt es in Deutschland einfach nicht mehr“, sagte Jimmy.
    Marie war anderer Meinung, aber sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie blickten auf die Landstraße vor ihnen.
    „Möchtest du mich heiraten, Marie?“, fragte Jimmy.
    [3304]
    Simon fror.
    Er hatte Angst.
    In sicherer Entfernung umschlich er den Wohnblock, in dem seine Mutter und Mumbala wohnten. Und auch sein Vater, wenn es stimmte, was Bobo herausbekommen hatte. Wie schlimm musste das für seinen Vater sein, mitzuerleben, dass Mumbala nun der Mann an der Seite seiner Frau war? Simon dachte an seine eigene Eifersucht. Auf Gopal. Aber wenn sein Vater ein Pflegefall war, dann bekam er all das ja vielleicht nicht mehr mit. War das ein Trost? Für ihn? Oder nur für alle anderen Beteiligten?
    Simon konnte

Weitere Kostenlose Bücher