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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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Sie warf sich auf den Boden, rutschte unter den Wagen und rollte sofort wieder zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war. Die Männer, die erwartet hatten, dass Marie auf der anderen Seite des Autos wieder hervorkommen würde, gingen auf die Knie. Marie glitt unter dem Auto hervor, sprang auf die Beine und rannte durch den Hof an Hitler vorbei, auf die beiden Soldaten zu, die zu seiner Leibwache gehörten und die die Einfahrt in den Hof bewachten.
    „Hilfe!“, schrie Marie, bevor die Wachen die Gestapo-Beamten zu Gesicht bekamen. „Der Führer! Kommen Sie schnell! Hilfe!“
    Irritiert sahen sich die beiden schwarz uniformierten Männer an, dann blickten sie auf das kleine Mädchen im Bühnenkostüm, das ihnen in der engen Durchfahrt entgegenkam. Kurz entschlossen liefen sie an Marie vorbei in den Hof und auf Hitler zu.
    Mit einem großen Schritt trat Marie hinaus auf die Straße. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, wie sich die beiden Männer der Gestapo nach ihr umblickten. Unauffällig mischte Marie sich unter die Passanten und ließ sich von dem Strom der fremden Menschen mitreißen. Sie wollte nach Hause, in der Hoffnung, dass ihr Vater dort auf sie warten würde. Plötzlich fiel ihr auf, dass sie sich nicht mehr daran erinnerte, wo ihr Zuhause war.
    Musste sie mit der S-Bahn fahren? Eine Karte kaufen, um dort hinzugelangen? Sie wusste genau, dass sie mit dem Taxi zum Theater gefahren waren. Davor hatte sie gefrühstückt und mit ihrem Vater gesprochen. Sie erinnerte sich an das Innere der Wohnung, an ihr Bett, die Bücher. Ihr wurde heiß und dann wieder kalt: Wie in aller Welt konnte sie vergessen haben, wo sie lebte? Erfolglos versuchte sie sich zu erinnern, wo der Eingang zu ihrer Wohnung gewesen war, wie das Haus überhaupt aussah. Sie setzte sich zwischen zwei geparkten Autos auf den Bordstein und legte den Kopf in die Hände. Welche Adresse?
    Jedes kleinste Detail, an das sie sich erinnern konnte, rief sie sich ins Gedächtnis und versuchte, es festzuhalten – doch gelang es ihr einfach nicht, herauszufinden, wo sie wohnte. Unruhe machte sich in ihrem Körper breit, wie große beißende Ameisen, die unter der Oberfläche ihrer Haut zu krabbeln begannen. Wenn ich die Wohnung sehen würde, würde ich sie auch erkennen, dachte Marie, als sie auf der anderen Straßenseite zwei Schutzpolizisten sah, die direkt auf sie zusteuerten.
    Marie setzte sich wieder in Bewegung, bevor die beiden bei ihr angekommen waren. Sie senkte den Kopf und schaute auf ihre Uhr. Tat so, als hätte sie es eilig, und verschwand in einer Seitenstraße, in der es ruhiger war; aber auch gefährlicher, denn hier konnte sie leichter entdeckt werden.
    Marie bewegte sich von Hauseingang zu Hauseingang. Sie erkannte die Gegend, wusste, dass sie irgendwo hier in der Nähe der Friedrichstraße wohnte. Sie waren nur mit dem Taxi gefahren, weil sie die Bühnenutensilien dabeihatten und ihre Kostüme.
    „Marie!“ Die durchdringende Stimme eines kleinen Mädchens schrillte durch die warme Luft. Marie blieb stehen. Sie wusste, wem die Stimme gehörte.
    „Ich dachte, ihr seid bei der Vorführung“, rief die Kleine.
    „Psst, Greta“, sagte Marie leise und ging auf das Mädchen zu. „Muss ja jetzt nicht die ganze Stadt wissen!“
    Das Mädchen verstummte und lächelte Marie verschwörerisch zu. Sie war eines der wenigen Nachbarskinder, das immer wieder zu Marie an die Tür kam, denn sie konnte nicht mit den anderen auf dem Spielplatz oder auf der Straße spielen. Ihre Beine steckten in Schienen aus Metall, weil sie einen Gehfehler hatte. Marie wollte wissen, ob Greta ihren Vater gesehen hatte.
    „Seid ihr nicht zusammen gekommen?“, fragte Greta neugierig. „Ist die Vorführung ausgefallen?“
    „Genau“, sagte Marie.
    „Warum hast du dann das Kostüm angezogen?“
    Statt einer Antwort fragte Marie: „Magst du mich begleiten?“ Sie wollte Greta nicht direkt fragen, wo ihr Daheim war. Greta nickte stolz und begleitete Marie vor den Eingang, der zum Souterrain hinabführte. Marie sah Bernikoff aus dem Keller nach oben kommen und rannte die Stufen hinunter ihrem Vater entgegen. Sie fielen sich in die Arme und sie küsste ihn.
    „Du bist ihm direkt in die Arme gelaufen“, sagte Bernikoff.
    Verwundert blickte Marie ihren Vater an. „Wem?“
    Aufmerksam schaute er seiner Tochter in die Augen. „An was erinnerst du dich?“
    Interessiert hörte Greta vom Treppenabsatz zu, bis Vater und Tochter ihre Wohnung betraten und Bernikoff

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