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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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war 1957 in Kronberg im idyllischen Taunus. Sofort waren da wieder die Bilder aus der Vergangenheit. Olsen wurde sie nicht los. Im Gegenteil. Je mehr er sich seinem Leben als Krieger stellte, desto präsenter, desto quälender wurden seine Erinnerungen. War sein Vater wirklich ein Spion gewesen? Hatte er Geheimnisse an die Russen verraten, die die Sicherheit der gesamten westlichen Welt gefährdet hatten?
    Wie einfach es war und immer noch ist, Böses zu tun, wenn man nur auf der vermeintlich richtigen, der ‚guten‘ Seite steht, dachte Olsen. Man musste nur die Angst der Menschen schüren. Das funktionierte immer. Das wusste er aus seinen vielen Kriegen.
    Olsen folgte im Spiegel den Spuren, die seine Kämpfe in seinem Gesicht hinterlassen hatten. Er sah die Delle in seinem Schädel, sah, wie sich die Haut über sein Hirn spannte. Genau dort, erinnerte er sich, dort lagerten die schrecklichen Erinnerungen an den Tod seines Vaters, genau dort dachte er gerade diese Gedanken.
    Was brachte die Menschen ... was brachte ihn dazu, zu denken? So zu denken? Vielleicht dachte er ja auch gar nicht selber. Vielleicht wurde er gedacht. Vielleicht hatte Dr. Fischer ihn ja zu einem Schatten seiner selbst gemacht.
    „Wer bist du?“, fragte Olsen sein Spiegelbild.
    Er wusste nur zu gut, wie perfekt das Wort „Schatten“ auf einen Menschen zutraf, der dem Krieg ständigen Zutritt in sein Leben gewährt hatte. Seit seiner Rettung durch Elisabeth hatte Olsen begonnen, nach und nach das Puzzle seines Lebens zusammenzusetzen. Aber noch fehlten ein paar entscheidende Teile. Dass Tod und Gewalt sein Leben bestimmt hatten, damit hatte er sich abgefunden. Doch er fand keine Erklärung für die Frage, warum ihn das Schicksal von Linus so mitnahm. So fremd schien dies seinem Wesen. Und trotzdem verspürte er große Nähe zu dem Jungen. War dankbar dafür. Durch ihn hatte er verwundert, aber zunehmend glücklich erkannt, dass er fähig war, für einen Menschen zu kämpfen und nicht nur gegen einen behaupteten Feind im Auftrag irgendeines Warlords oder Geheimdienstes.
    Olsen konnte sich nicht erklären, warum das so war, doch das stimmte ihn froh. Irgendwo in seinen Erinnerungen gab es offenbar einen Ort, der nicht von Kampf besetzt war. Olsen wollte diesen Ort finden. Den Ort der Normalität. Der Ruhe. Des Glücks? Er schloss die Augen, suchte in seinen Erinnerungen. Aber sosehr er sich auch bemühte, er fand keinen stolzen Rückblick auf irgendeine Fußballheldentat, kein seliges Lächeln über eine erste Liebe. Nie hatte Olsen das als Defizit empfunden. Aber jetzt, in seiner Angst um Linus, wünschte er, er könnte sich an die Jahre vor dem Tod seines Vaters erinnern. Doch wenn er die erste Erinnerung in seinem Hirn aufrief, landete er immer wieder bei denselben Bildern. Er sah die Hände, die seinen Kopf festhielten wie ein Schraubstock und ihn zwangen, dabei zuzuschauen, wie sein immer so starker und tapferer Vater als winselnder und sich windender Wurm vor seinen Augen sterben musste.
    Olsen hatte sich gerächt. Er hatte Dr. Fischer, den Mörder seines Vaters, getötet und im See versenkt. Doch das hatte ihm keinen Frieden gebracht. Immer noch fühlte sich Olsen fremd in sich selbst. Ihm fehlten die Jahre der Unschuld. Die unbeschwerten Jahre. Die Jahre, die vorbereiteten, was aus ihm hätte werden können. So ein Junge wie Linus?
    Olsen suchte nach seinem anderen Leben. Das nicht fremdbestimmt gewesen wäre von dunklen Mächten, vom Kalten Krieg, sondern nur von ihm allein. Von dem, was er liebte, was er besonders gut konnte. Sollte er die Suche nach diesen verlorenen Jahren aufgeben? Was, wenn er entdecken würde, dass es einzig und allein das Kämpfen und Töten war, wozu das Leben ihn bestimmt hatte?
    Ein Krankenpfleger huschte eilig herein, pinkelte, sah Olsen an, als wäre er nicht dort, und ging, ohne sich die Hände zu waschen, eilig wieder hinaus. Zu einer anderen Zeit hätte Olsen diesen Mann sofort gepackt und ihn gezwungen, Wasser und Seife zu benutzen. Jetzt war er einfach zu müde. Er spürte zwar den Impuls zu handeln, doch dem Impuls folgte keine Tat. Es war nicht wichtig. Warum hatte ausgerechnet er es zugelassen, dass sein Leben dem Krieg geopfert wurde? Es kam ihm so absurd vor, dass er bereitwillig jeden Kampf, in jedem Winkel dieser Welt aufgenommen hatte. Ein Kampf der niemals sein eigener gewesen war. Und dann lächelte Olsen, denn er begriff. Er konnte sein Tun nur deshalb als „absurd“ empfinden, weil ihm

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