ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)
zögerte. Schifter war klar, dass es um Simons Eifersucht ging. In all den Jahren seiner Begleitungen hatte er eines begriffen – gegen männliche Eifersucht half immer die Aussicht auf einen Kampf.
„Ihr solltet es probieren“, sagte Schifter. „Nicht nur wegen Linus. Der eigentliche Zweck besteht darin, eine entscheidende Aktion gegen gene-sys zu führen. Und gegen die Machthaber und Strippenzieher hinter den Kulissen. Eine Aktion, die die Menschen aufrütteln und unsere Gegner vor aller Welt bloßstellen wird. So ungefähr das Coolste, was man machen kann. Finde ich.“
Er blickte Simon an. Der lächelte, und Schifter wusste, dass Simon angebissen hatte.
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„Und wenn’s schiefgeht?“
Edda biss sich auf die Unterlippe. Sie stand am Kopfende neben Maries Bett und sah zu, wie Gopal die Spieluhr, die sie von dem kleinen Boot mit an Bord der »Shiva« gebracht hatte, auf Maries Stirn setzte. Langsam nahmen die kleinen Sonnenräder in der Preziose Fahrt auf und begannen sich in entgegengesetzte Richtungen zu drehen.
„Marie kann doch gar nichts spüren ...“, sagte Edda zweifelnd und mit leiser Stimme. Sie merkte, wie sich Sorge um ihre Großmutter breitmachte. Fast immer hatte Edda Maries Alter verdrängt, weil sie noch rüstig war und die meisten sie für Mitte sechzig hielten. Jetzt dachte sie zum ersten Mal daran, dass Maries irdische Tage gezählt waren. Egal wie diese Aktion ausgehen würde. Sie wurde traurig.
„Sie merkt alles, was wichtig ist“, sagte Gopal. „Sie empfängt Zuneigung, Liebe ... aber auch alle anderen Frequenzen.“
„Frequenzen?“
„Jede Emotion und jedes Gefühl sendet eine Frequenz nach außen an andere Menschen. Nur Menschen, die geschult darin sind, ihre Gefühle zu verbergen und falsche Gefühle zu präsentieren, können uns in die Irre führen.“
„Was ist mit Simon?“, fragte Edda plötzlich. „Ich war ihm so nah und jetzt ... ich verstehe ihn nicht mehr. Er braucht Hilfe ...“
„... die du ihm nicht geben kannst. Er muss selbst seinen Weg finden. Ihr könnt euch nicht aneinander festklammern.“
Gopal sagte genau, was Edda fühlte. Sie blickte ihm in die Augen. Wer war dieser junge Mann? Warum diese Begegnung hier? Welche Rolle spielte er in ihrem Leben? Würde er überhaupt eine Rolle spielen? Edda spürte, dass sie begann, es sich zu wünschen.
„Du musst es entscheiden“, sagte Gopal sanft, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und entfernte die Spieluhr von Maries Stirn. „Dir hat sie vertraut und du kennst sie am besten.“
Edda zögerte.
„Angst?“, fragte Gopal.
„Meine Mutter ist ... sie ist krank – hat eine Geisteskrankheit. Und Marie ... sie kam mir vor wie ein Kind, als sie das letzte Mal gesprochen hat.“
„Möglich, dass sie sich in einen kindlichen Zustand geflüchtet hat.“
„Wieso?“, fragte Edda unsicher.
„Das Gehirn macht so etwas, um sich zu schützen. Ich vermute deshalb, dass Marie nicht wirklich selbst erlebt hat, was sie während der Hypnose im Hof des » Wintergartens « gesehen hat. Es sind Bilder, die nicht zu denen von Marie passen. Wie aus einem anderen Hirn. Als wären sie übertragen worden.“
„So was wie die Brain-Cloud?“, fragte Edda und schaute ihn zweifelnd an. Gopal nickte.
„Aber das ist nur möglich, wenn sie von einem Menschen stammen, der ebenfalls hypnotisiert war.“
„Du meinst Hitler ...?“, fragte Edda ungläubig.
„Wenn wir Maries Erinnerungen glauben, dann ... ja“, sagte Gopal. „Und wenn es so war, hatte Marie diese fremden Bilder tief in ihrer Erinnerung verschlossen. Durch Gretas Kurpfuscherei sind sie nun zum ersten Mal in Maries Gehirn aktiviert worden.“
„Was waren es für Bilder?“
„Stell dir vor, jemand würde nicht nur einen schönen Tag in deiner Kindheit aktivieren, sondern alle – und alle schrecklichen Erlebnisse dazu. Und dich dann mit den Erlebnissen eines anderen Menschen zusammenschließen, die du ebenfalls so intensiv erleben würdest. So in etwa muss es für Marie gewesen sein.“
„Chaos!“
„Und Verwüstung und Erbarmungslosigkeit ...“
Gopal verstummte. Einen Augenblick schwiegen sie beide. Die Idee, Gedanken und Bilder anderer Gehirne zu sehen und zu erleben, war so faszinierend wie abstoßend, so schrecklich wie schön. Aber für Marie musste es damals die Hölle gewesen sein. Und nun hatte sie alles noch einmal durchleben müssen. Edda dachte daran, wie sie so etwas ertragen würde, und bewunderte ihre Großmutter für ihre
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