Abaton
spürte die Wirkung des Alkohols, aber sie erstreckte sich nicht auf seinen Körper. Clint konnte sich weiter auf seine Kraft und seine Reflexe verlassen. Sein Körper war ihm wie ein Freund. Der beste Freund, den er hatte.
Es schien, als funktioniere er von allein. Ohne dass Clint überlegen musste. Seine Augen scannten die Umgebung, nahmen die Betrunkenen auf der anderen Straßenseite wahr. Die Junkies, die zu einem Dealer ans Auto traten. Die Prostituierte, die brutal aus einem Porsche gestoßen wurde. Nichts davon signalisierte Clint Gefahr.
Er passierte das Gebäude der Bundesbank und gelangte in den Park hinter der Taunusanlage. Vorbei am Schillerdenkmal ging er zu dem Suites Hotel. Luc hatte ihm den Zahlencode für eine der Suiten gegeben. Ein anonymer Ort, kein Registrieren, keine Fragen. Perfekt. Von ferne nahm Clint das Geräusch eines Motorrads wahr, das die Taunusanlage entlangjagte. Clint verachtete ein solches Machogehabe. Er blieb stehen. Das Motorrad hatte seine Fahrtrichtung geändert. Clint hörte das. Es war abgebogen. In den Park. Schon war es hinter ihm. Clint war sofort in Alarmbereitschaft. Er drehte sich blitzschnell um. Da schoss die Geländemaschine schon auf ihn zu. Hinter dem Fahrer saß ein zweiter Mann. Er hielt einen Baseballschläger in der Hand. Reflexartig warf sich Clint zur Seite. Zwar konnte ihn der Schläger so nicht am Schädel treffen, aber er erwischte Clint an der Schulter. Der Schmerz fuhr durch den Körper des Söldners wie ein Blitz. Doch Clint war trainiert, Schmerz nicht zuzulassen. Nicht solange er noch bei Bewusstsein war. Sie kamen zurück. Clint trat zurück und wartete. Beim Aufstehen hatte er unauffällig einen Ast gepackt und hinter dem Rücken versteckt. Die Maschine röhrte auf und hetzte heran. Der Fahrer hielt genau auf Clint zu. Clint stand. Wie ein Baum. Als die Enduro noch 20 Meter entfernt war, rannte Clint los. Nicht davon. Sondern dem Feind entgegen. Er wusste, dass das den Fahrer verwirrte. Es war der Moment des Fehlers. Clint hatte so viele Kämpfe auf dem Buckel, dass er genau wusste, dass es immer um diesen Moment ging. Der Augenblick des Fehlers. So war es auch dieses Mal. Der Fahrer versuchte, abrupt zu bremsen. Der Bremsweg aber war zu lang, um vor Clint zum Stehen zu kommen. Das Motorrad hatte noch genügend Tempo, um den Fahrer und seinen Sozius emporzuschleudern. Clint hatte den Ast blitzschnell in die Speichen des Vorderrades gestoßen. Blockiert von der Radgabel, warf das Motorrad die beiden Fahrer ab wie ein bockender Gaul den Cowboy beim Rodeo. Der Motor heulte kurz auf, weil das Hinterrad frei drehte. Dann schlugen die Männer und das Gefährt dumpf auf und es war still. Mit wenigen Schritten war Clint bei den beiden Angreifern. Reglos lagen sie am Boden. Clint kickte gegen den Kopf des Mannes mit der Lederjacke. So leicht, wie er sich verdrehen ließ, war unschwer zu erkennen, dass das Genick gebrochen war. Der andere Mann lag auf dem Rasenstück zu Füßen des deutschen Dichters und Denkers. Auch er regte sich nicht, doch er atmete noch. Clint packte ihn. Fragte nach dem Namen. Er umschloss den Hals des Mannes und drückte die Luft ab. Clint spürte den Schmerz in seiner Schulter. Er ignorierte ihn, ließ den Mann kurz atmen.
„Deinen Namen!“
Der Mann brabbelte etwas, sodass Blut aus seinem Mund floss. Clint brüllte ihn an. Und brach zusammen. Der Schlag mit dem Baseballschläger hatte ihn am Kopf getroffen. Er hatte den dritten Mann nicht wahrgenommen. Der Whisky, dachte Clint und drehte sich instinktiv auf den Rücken. Da sauste schon der zweite Schlag auf ihn nieder. Clint brachte seinen Stiefel dazwischen. Der Schlag wurde gebremst und Clint packte den Schläger. Mit einem Ruck hatte er den Dritten zu sich auf den Boden gezogen. Er legte seinen Arm um seine Kehle und drückte zu ...
Er war alt geworden. Clint starrte in den Badezimmerspiegel. Er musste es sich eingestehen. Dass er den dritten Angreifer nicht bemerkt hatte signalisierte Clint, dass er sich nicht mehr bedingungslos auf seine Reflexe verlassen konnte. Nicht, wenn er getrunken hatte. Von nun an kein Whisky mehr. Es war Zeit, Mister Talisker Goodbye zu sagen. Das einzig Beruhigende war, dass es den Idioten nur um sein Geld gegangen war.
Clint hatte geduscht und seine Wunden versorgt. An der Schulter, dem Fuß. Vor allem aber dem Hinterkopf. Er legte sich aufs Bett und schloss die Augen. Und schreckte wieder auf. Es war nicht der Schmerz, der ihn verstört
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