Abaton
dieser Frau zu tun?
Edda überlegte, ob sie Maries Computer weiter durchsuchen sollte, als sie vor dem Haus das Geräusch eines laufenden Dieselmotors hörte. Es war ein alter Mercedes, wie Marie ihn fuhr. Dessen Rattern hörte Edda aus allen Motorgeräuschen heraus.
Kurz darauf klingelte es an der Haustür.
Edda klappte den Laptop zu und rannte die Treppe hinunter, schloss auf und riss aufgeregt die Tür auf.
Auf dem Weg vor dem Haus stand ein Taxi. Der Fahrer hatte den Kofferraum geöffnet, sodass der Kofferraumdeckel die Person verdeckte, die ihr Gepäck herausnahm.
„Marie!“, rief Edda dennoch und lief auf Socken den Weg entlang.
Dann klappte der Kofferraumdeckel zu.
Vor Edda stand ihre Mutter.
Mit einer kleinen Reisetasche in der Hand kam sie auf Edda zu, während das Taxi zurück in die Nacht fuhr.
[ 1259 ]
Als der Zug am Hauptbahnhof in Berlin einlief, war Simon erschöpft von der Reise und dem Auf und Ab seiner Emotionen. Doch er fühlte sich stark und zuversichtlich.
Von der unteren Ebene des Bahnhofs liefen er und Bobo die Treppe nach oben, als Simon in der Menge, die durch den Ausgang in die Nacht drängte, ein Gesicht sah, das ihm bekannt vorkam.
„Thorben!“, rief er so laut er konnte.
Doch Thorben hörte ihn nicht. Simon rannte den Rest der Treppe hinauf.
„Thorben!“
Der Junge trug ein Kapuzenshirt und hatte Kopfhörer auf. Simon rannte schneller, doch bevor er ihn erreichen konnte, hatte Thorben die Haupthalle verlassen und war in ein dunkles Auto gestiegen, das vor dem Bahnhof wartete. Verdammt!, dachte Simon. Der Typ hatte genau wie Thorben ausgesehen und doch war ihm nichts an ihm wie Thorben vorgekommen. Coole Kleider, MP3-Player; drei Tage zuvor hatte Thorben nichts dergleichen gehabt. Vielleicht hatte Simon sich geirrt? Er drehte sich um.
Bobo war verschwunden. Eine alte Frau kam mit einem Koffer die Treppe herauf und winkte nach ihm. Simon wollte so tun, als hätte er sie nicht gesehen. Er hatte keine Zeit, einer Oma an Krücken zu helfen, aber sie lächelte ihn an und das berührte ihn so, dass er zu ihr lief und ihren Koffer nach oben hievte.
„Herzlichen Dank“, sagte sie schnaufend. Sie wollte Simon fünf Euro geben. Er lehnte ab. Das gab ihm ein gutes Gefühl und er bemerkte nicht, wie die alte Frau etwas in seine Tasche gleiten lassen wollte, ehe sie mit ihrem Rollkoffer davonzog.
Wo war Bobo?
Simon ging ein paar Schritte zurück. Reflexartig klopfte er seine Taschen ab; das Geld war noch da! Doch der Riese war nirgendwo zu sehen. Dafür fielen ihm zwei dunkel gekleidete Männer auf und an der Art, wie sie sich bewegten und ihn in die Zange nahmen, ohne sich ihm zu nähern, erkannte Simon, dass sie es auf ihn abgesehen hatten.
Wer waren sie? Und was wollten sie?
Waren sie ihm nach Berlin gefolgt?
Hatten sie die ganze Zeit gewusst, wo sich Simon befand?
Er war sich nicht sicher, aber er meinte, in einem von ihnen einen der Typen zu erkennen, die Edda, Linus und ihn in Berlin verfolgt hatten. Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Bobo gehörte zu ihnen. Er hatte achtgegeben, dass er, Simon, in Berlin landen würde! Wer sonst hatte davon wissen können? Das Schwein hatte ihn doch belogen und betrogen!
Mit einem Schlag brach Simons Welt zusammen und er sah rot. Ohne zu überlegen, lief er aus dem Bahnhof, schleuderte den Verfolgern einen Kofferkuli entgegen und rannte weiter über die belebte Straße in die Nacht.
Auf der anderen Straßenseite duckte er sich hinter ein Auto. Gebückt lief er ein Stück an der Reihe der Autos entlang, hielt kurz inne und versteckte sich hinter einem parkenden Bus. Als der Fahrer den Motor anließ, stieg Simon ein, ohne zu wissen, wohin der Bus fuhr.
Simon zahlte, ging die schmale Treppe hinauf nach oben, stolperte fast über seine eigenen Füße und setzte sich dann in die vorderste Reihe, sodass er den Verkehr im Blick hatte.
„Guter Instinkt“, sagte eine vertraute Stimme hinter ihm.
Erschrocken drehte sich Simon um.
Bobos Kopf tauchte aus einer der Sitzreihen auf und der Kerl lächelte Simon mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck an.
„Sieht aus, als würdest du verfolgt; falls du’s noch nicht gecheckt haben solltest.“
Das Herz klopfte Simon bis zum Hals. Er war außer Atem. Konnte nichts sagen.
„Weißt du, von wem?“, fragte Bobo, und am Klang seiner Stimme erkannte Simon, dass der Riese nichts mit den Verfolgern zu tun hatte. „Das sind nämlich Profis“, sagte Bobo.
An der nächsten
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