Abaton
Fragen, den Drohungen und den Verlockungen stand, doch irgendwann ergab er sich. Er verriet, was er wusste. Und verriet damit den Vater, zumindest kam es ihm so vor.
Olsen hielt inne. Linus spürte, dass ihn das alte Schuldgefühl wieder überkam.
„Aber er war doch schon tot“, sagte Linus. Es sollte ein Trost sein.
Olsen schaute auf. „Ist das nicht egal?“ Als man ihn dann dem MK-Ultra-Programm unterzog, war Olsen eigentlich froh. Denn sie fingen an, sein vergangenes Leben von ihm abzuspalten. Sie gaben ihm ein neues. Eines, in dem er stark war und tapfer. Ohne Angst. Und in diesem neuen Leben hatte er all das vergessen, was einmal war. Im Nachhinein, dank des Unfalls, konnte Olsen die absichtlich verschüttete Erinnerung rekonstruieren. Mit Gewalt und Drogen hatte man seine kindliche Persönlichkeit gespalten und ihn zu einem gefügigen, skrupellosen Kämpfer ausgebildet. Zu einem menschlichen Roboter. Ferngesteuert wurden er und die anderen, die man derselben Behandlung unterzogen hatte, in allen Teilen der Welt eingesetzt.
„Von der CIA?“, fragte Linus fasziniert.
„Und ‚befreundeten‘ Geheimdiensten, ja.“
„Und den Mann da nebenan ... den kennen Sie von da?“
Olsen nickte. „Hab ihn bei einem Einsatz in Kambodscha kennengelernt.“
„Für wen arbeitet er?“
Olsen zuckte die Schultern. „Für jeden, der gut bezahlt. Er ist ein Söldner, der niemals verraten wird, wer seine Auftraggeber sind.“ Olsen hielt nachdenklich inne. „Wenn ich den Unfall nicht gehabt hätte, wäre ich heute wohl auch noch dabei.“ Er lächelte kurz, mit Trauer in den Augen. Seine ehemaligen Auftraggeber glaubten, dass er immer noch einer von ihnen sei. Deshalb musste Olsen vor dem Söldner so tun, als sei er im Geiste noch bei der „Truppe“. Und um nicht mehr rekrutiert zu werden, hatte sich Olsen das mit dem Rollstuhl einfallen lassen ...
Linus kam das alles sehr schlüssig vor.
„Warum haben die das gemacht – die Persönlichkeit der Menschen gespalten?“, fragte er.
„Abgespalten!“, verbesserte Olsen. „Weil Menschen niemals freiwillig tun würden, was ich getan habe.“ Er klang bitter und gab Linus sofort zu verstehen, dass er darüber nicht reden würde. Was dessen Fantasie um so mehr Nahrung gab.
„Wie haben sie das gemacht?“, wollte Linus wissen.
Olsen zögerte. Tauchte ein in die Erinnerung.
„Sie haben jedem von uns einen Hasen geschenkt“, sagte er schließlich und lächelte. „Mit großen Augen und weichem Fell. Einen ganzen Sommer lang durften wir uns um die Tiere kümmern. Wir haben sie gefüttert, sauber gehalten. Wir haben ihnen Namen gegeben. Haben mit ihnen geschmust. Bis sie unser ein und alles waren.“ Er stockte in seiner Erzählung. „Dieses Tier war mein bester Freund.“
„Und dann?“ Linus sah ihn erwartungsvoll an.
Olsen schüttelte den Kopf. „An einem Tag im November mussten wir alle antreten. Mit unseren Hasen. Und wir mussten vernichten, was uns das Allerliebste war. Einer nach dem anderen trat vor die anderen hin und ...“
Olsens Stimme verebbte. Er legte seine Hand auf Timbers Kopf, der instinktiv zu ihm gekommen war, um ihn zu trösten. Dann erzählte Olsen weiter. Diese Gemeinschaftsaktion war der Beginn eines Prozesses, in dessen Verlauf eine verschworene Truppe gebildet wurde. Zwölf Jungen, denen man die Angst ausgetrieben hatte und die sich aufeinander verlassen konnten. Die sich durch ihr Bewusstsein miteinander vernetzen konnten, wie man heutzutage Computer zu einer »Cloud« vernetzte. „Wenn wir zwölf vernetzt waren, konnten wir Menschen dazu bringen, bestimmte Dinge für uns zu tun.“
„Echt ...?“ Linus sah ihn mit großen Augen an.
„Ich weiß, es ist unglaublich. Aber es hat funktioniert.“
„Sind Sie ... ein Medium oder so was?“
Olsen schüttelte den Kopf. „Im Grunde kann es jeder. Allerdings nur, wenn er die richtigen Partner an seiner Seite hat. Das ist die Bedingung.“
„Wie weiß man das? Wer ein richtiger Partner ist?“, fragte Linus.
„Ich weiß es nicht“, sagte Olsen ehrlich. „Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht spürt man es.“
Jeder hing seinen Gedanken nach. Linus schaute zur Tür, hinter der gerade das Experiment mit dem Söldner ablief.
„Sie machen das jetzt gerade. Mit ihm. Genau das Gleiche, oder? Mithilfe der Apparate und Drogen?“ Linus hörte selbst den Vorwurf in seiner Stimme heraus.
„Alles, was Böses verursachen kann, kann auch Gutes bewirken. So wie eine Medizin in der
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