Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
Vom Netzwerk:
Er schaute in den Himmel.
    „Geht’s dir gut?“, fragte er.
    „Ich kann fliegen.“
    „Haben wir uns getroffen ... vor ein paar Tagen. Hier ... unter Wasser?“, fragte Simon zögernd und ließ es geschehen, dass der Kahn langsam auf den See hinausglitt.
    „Was denkst du?“
    „Du wolltest nicht, dass ich mich schuldig fühle?“, sagte Simon und horchte dem Satz nach und erkannte, dass er ihm zur Frage geraten war.
    „Wer nicht untergehen will, könnte ja bis ans andere Ufer springen.“
    Wieder hörte Simon das Lachen. Der Kahn trieb mitten auf dem See.
    „Ich werde Papa besuchen.“
    „Gut.“
    [ 1237 ]
    Simon machte sich auf den Weg zu seinem Vater. Es fühlte sich richtig an. Ein vergessener Fußball lag auf der Wiese. Simon kickte ihn in eine Mülltonne, deren Deckel offen stand wie ein riesiges Maul. Simon traf und jubelte. Der Deckel klappte zu. Simon stellte sich das Mampfen und Kauen und Schlucken der Tonne vor. Simon lachte. Mein Gott, so kann die Welt auch sein, dachte er. So leicht, so fröhlich, wenn man die Dinge einfach zuließ, wenn man nichts ausschloss.
    [ 1238 ]
    Die Sonne wärmte Eddas Gesicht und sie räkelte sich wohlig und benommen. Dann wachte sie gähnend auf. Sie schüttelte ihren Traum ab, schlüpfte aus dem Bett und eilte aus dem Zimmer.
    Als sie in die Küche kam, stand Marie vor dem alten Ofen, las in einem Buch und kochte Chai. Ein süßes und heißes indisches Würzgetränk, das Marie mit geschäumter Milch zubereitete. Sie füllte es aus einem alten Topf in Eddas Becher. Edda legte ihre Hände darum und spürte, wie sich die Wärme von ihren Fingern in den ganzen Körper ausbreitete.
    Ein perfekter Anfang für einen Tag.
    „Du gefällst mir viel besser als gestern“, sagte Marie. „Hast du etwas Schönes geträumt?“
    Mit einem Schlag erinnerte Edda sich an ihren Traum und an das Gefühl des sanften Tieres. Edda berichtete Marie von dem Gefühl, ein Fell aus lauter Antennen zu besitzen. Und während sie sprach, fielen ihr immer weitere Details ein. Als Marie hörte, dass es Edda gelungen war, über ihr Gefühl wieder in den Traum zurückzufinden, wurde sie ernst.
    „Ich frag mich, was Träume bedeuten“, sagte Edda und schlürfte den heißen Tee. „Aber es war auf jeden Fall ein super Erlebnis, wie die Angst verschwunden ist.“
    „Der Traum ist mit Sicherheit ein gutes Zeichen“, sagte Marie mit fester Stimme. „Er zeigt, dass du wieder Kontakt zu etwas gefunden hast, das tief in dir verborgen war.“
    Edda bemerkte, wie sich Marie freute, ihr Gesicht leuchtete noch mehr als sonst.
    „Dein wahres Selbst, etwas, das dir niemand nehmen kann.“
    Edda nickte und nahm noch einen Schluck Tee. Plötzlich runzelte sie die Stirn. „Oder glaubst du vielleicht, dass ich in Wirklichkeit ein haariges Tier bin?“, fragte sie.
    Marie lachte schallend. „Nein, kein Tier! Ein mit der Welt verbundenes, wunderbares Wesen, das sich nicht verstellen muss, um einem Jungen zu gefallen. Das sich nicht verrenken muss. Das einfach nur es selbst sein kann. Wie klingt das?“
    „Viel, viel besser“, sagte Edda und lachte auch. Der Gedanke gefiel ihr. Aber plötzlich musste sie wieder an Marco und Sophie denken und ihre Laune verdüsterte sich.
    Marie bekam einen wehmütigen Ausdruck im Gesicht. „Es kommt dir vielleicht nicht so vor, aber du bist heute Nacht ein ganzes Stück gewachsen. Innerlich“, sagte sie. „Du kannst dir dieses schöne Gefühl merken und wenn du Angst bekommen solltest oder dir unsicher bist, dann hol dir Rat bei diesem Gefühl.“
    Edda nickte zwar, aber sie war schon wieder abwesend.
    „Was ist denn?“, fragte Marie.
    „Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Sophie hat meinen Stil kopiert“, sagte Edda verzweifelt.
    Marie sah sie über den Rand ihrer Teetasse hinweg an. „Was würdest du denn anziehen, wenn du dem Gefühl in deinem Traum folgen würdest?“
    Edda legte die Stirn in Falten und überlegte.
    „Zieh etwas ganz anderes an als sonst. Etwas Einfaches, etwas, das deine natürliche Schönheit betont. Die kann niemand kopieren. Beeil dich, wir müssen gleich los! Sonst kommst du zu spät zur Schule.“
    Edda lief nach oben und entschied sich für eine verwaschene Jeans und ein altes, weiches T-Shirt. Die Haare band sie zu einem Pferdeschwanz. Dann fiel ihr Blick auf den kleinen Schminktisch. Sie griff nach dem Lippenstift, zog sich die Lippen ein wenig nach und betrachtete sich im Spiegel.
    „Ja!“ Marie strahlte, als sie kurz in Eddas

Weitere Kostenlose Bücher