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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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begriffen.
    „Die berühmten zwei Seiten einer Medaille.“
    „Wenn man mir eingeben würde, keine Angst zu haben. Wär ich dann unbesiegbar?“, fragte Linus.
    Olsen sah ihn an. „Warum kommst du auf so eine Frage?“
    „Das geht, oder?“
    Der Frühstückstisch war fertig gedeckt. „Tee oder Kakao?“, fragte Olsen und gab Linus damit klar zu verstehen, dass er nicht weiter darüber reden wollte.
    „Milch, bitte. Mit diesem Glücklichmacher aus Asien“, sagte Linus, um einen lockeren Ton bemüht.
    „Lavendelhonig“, sagte Olsen freundlich und stellte das Glas auf den Tisch.
    Linus musste lachen. Das tat gut. Jetzt meldete sich auch sein Hunger zu Wort und Linus wurde bewusst, dass er schon länger nichts mehr gegessen hatte. Er wollte jetzt nicht mehr über all diese merkwürdigen Dinge reden, sondern in Ruhe frühstücken. Doch kaum hatte er ein paar Happen gegessen, klingelte sein I-Phone. Es war Rob. Als Linus nicht zum Frühstück erschienen war, war er in sein Zimmer gegangen und hatte statt seiner Chuck im Bett vorgefunden.
    „Wo steckst du?“, fragte Rob besorgt.
    „Bei einem Freund“, sagte Linus. „Seid ihr alle okay?“, schob er hinterher.
    „Ja, sicher“, sagte Rob. „Warum fragst du?“
    „Nur so ... Na ja, ihr seid ja jetzt meine … Familie“, sagte Linus und wusste, dass er Rob damit eine Freude machte und sich außerdem damit einen Bonus einhandelte, um noch länger wegbleiben zu können. Er sagte, dass er zum Abendessen wieder zu Hause sein würde und legte auf. Er sah Olsen an, aber der fragte ihn weder, wer das gewesen war, noch kommentierte er Linus’ Bemerkung, er sei „bei einem Freund“.
    Olsen aß in Ruhe sein Brot auf, wischte sich den Mund und schaute kurz auf. „Ich habe immer einen Menschen gesucht, der mir meine Geschichte glaubt. Der bereit ist zu bezeugen, dass ich nicht verrückt bin.“
    Sofort spürte Linus einen Druck auf sich lasten, ohne dass Olsen auch nur den Ansatz einer Bitte an ihn gerichtet hätte. Linus selbst machte sich diesen Druck.
    Olsen schien das zu spüren. „Ich leg mich jetzt aufs Ohr“, sagte er und ging nach nebenan.
    „Und dieser Söldner, er wird sich bestimmt nicht erinnern?“, fragte Linus, bevor Olsen die Tür hinter sich zuziehen konnte.
    „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Aber meinen Recherchen zufolge ...“ Er hielt inne, als rekapitulierte er seine Erkenntnisse. „Nein. Die letzten Stunden sind gelöscht.“
    „Und wenn er einen Unfall hat. So wie Sie?“, fragte Linus.
    Olsen wog sachte den Kopf. „Ich denke, er ist ein guter Autofahrer.“ Er lächelte. „Ich hoffe es. Danke für den ‚Freund‘ – eben am Telefon“, fügte er hinzu. Dann schloss er die Tür hinter sich.
    Linus machte eine Kopfbewegung in Richtung Haustür. „Wie wär’s, Timber, willst du einen Ausritt machen?“
    Timber stand schon bei der Tür und Linus ging mit ihm hinaus.
    [ 1240 ]
    Bobo stand allein in der milden Abendluft und füllte den halben Horizont aus. Schwarze Tasche, schwarzer Trainingsanzug mit goldenen Streifen, die glitzerten wie die Trassen einer Uniform. Keine Haare, kein Bart und keine Wimpern.
    Bobo war der einzige Mensch in der Nähe der Bushaltestelle. Der fleischige Riese war Simon zunächst unheimlich. Gleichzeitig wollte er keine Vorurteile aufbauen; schließlich saß sein Vater auch im Gefängnis. Vielleicht kannte der Riese ihn oder die beiden hatten gar in einer Zelle gesessen? Simon spürte, wie ihm bei dem Gedanken daran das Herz klopfte.
    Regungslos verharrte Bobo neben seiner Tasche. Die Form seiner Lippen schien ihm ein ewiges Lächeln aufzuprägen, während die Knopfaugen Simon aus den Augenwinkeln sondierten, als wollten sie herausbekommen, wie er von Innen aussah. Bobo sah von außen aus wie eine Mischung aus Darth Vader und Dypsy von den »Teletubbies«.
    „Mein Vater ist verlegt worden“, sagte Simon, als ihm das Schweigen zu komisch wurde.
    Bobo wandte sich Simon zu. „Oh“, sagte er nur. Im gleichen Augenblick sprang die Laterne über Bobos Kopf an und bildete einen Heiligenschein um seine Glatze.
    „Bobo. Drei Jahre“, sagte Bobo, als handele es sich um seinen Dienstgrad, und streckte Simon die Hand entgegen. Mörder, Kinderschänder, Bankräuber oder Betrüger – all das hätte auf ihn gepasst. Simon versuchte, das nicht zu denken. Vielleicht war Bobo ja ein Heiliger, wie es der Lichtschein über seinem Kopf andeutete? Der Totentanz der ausgefransten Insekten, die über Bobos Kopf

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