Abbau Ost
zu meiner Überraschung, zwar deftig, aber außerordentlich schmackhaft.«) bekam er tiefe Einblicke in die ostdeutsche Wirtschaft
und deren notorische Kreditbedürftigkeit. Er »gab mal einen aus oder ließ einen Hunderter in West springen« und befolgte eisern
die Warnungen »vor diesen DDR-Mädels, welche die Chance auf etwas Westgeld vor Augen hatten und mit den Professionellen aus
dem Westen absolut nichts gemein hatten. Aber sie arbeiteten alle für das Ministerium für Staatssicherheit.« Und dann gab
es da diese Treffen im schmutzigen Hinterhof des Interzonenhandels, wo die einen, in schönster ostwestdeutscher Kumpanei,
mit Zollfreiheit und Mehrwertsteuervergünstigung an den Finanzämtern vorbei traumhafte Gewinne erzielten, und die anderen
Verrechungseinheiten in richtiges Westgeld verwandelten. Und hinterher wurde mit reichlich Wodka angestoßen. Nicht immer verliefen
die deutsch-deutschen Geschäfte harmonisch. Bei den Gesprächen »nahm plötzlich die Lautstärke zu, es wurde gebrüllt«. Und
dann, wenn sich die Ost-West-Front zu verhärten schien, erhoben sich die Streitenden abrupt und gingen in einen Nebenraum.
Lange Zeit passierte nichts. Und dann, »als wäre nichts gewesen, kamen alle zurück, und es wurden auf einen Wink von Hans
kalter Wodka und Kartoffelsuppe mit Halberstädter Würstchen serviert«. Im innerdeutschen Handel war vieles denkbar. Über die
DDR konnten zollfrei und mit Mehrwertsteuerersparnis Waren nach Westdeutschland gelangen, |225| die gar nicht in der DDR hergestellt wurden. Andererseits konnten Waren, welche die DDR aus Westdeutschland bezog, wiederum
in die BRD oder andere westeuropäische Länder exportiert werden. Auf diesem ungesetzlichen Wege ließen sich, bei einem freien
Devisenkurs von einer Westmark zu vier Ostmark, beim Wiederverkauf von Waren im Wert von einer Million drei Millionen Westmark
Gewinn verbuchen. »Diese Strecke war die Spezialität der westdeutschen Parteifirmen.« Der letzte große innerdeutsche Tauschhandel
lief noch nach der deutschen Einigung mit dem früheren DDR-Unterhändler und Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski:
Verschwiegenheit gegen einen Lebensabend in Freiheit und Wohlstand.
Holger Bahl selbst machte über die Tochtergesellschaft in Zürich für seine Landesbanken in Stuttgart und Mainz mit DDR-Banken
blendende Provisionsgeschäfte. Das Ganze lief sehr diskret ab. Zumindest anfangs wollte niemand, »dass westdeutsche und Westberliner
Aktionäre über die Einzelheiten unterrichtet werden«. Es waren goldene Jahre, und es begann schon weit früher, als dies gemeinhin
angenommen wird. »Mitte der siebziger Jahre boomte der Kreditmarkt, und meine Konsortialbanken waren hungrig auf Neugeschäfte,
vor allem mit der DDR, die zunehmend nach der Sowjetunion als bestes Ostblockrisiko galt.« Ende der 70er, Anfang der 80er
Jahre »gab es bei den Banken einen Run nach Ostberlin und Leipzig. Die ›Interhotels‹ platzten während der Messe aus allen
Nähten, 1981 wurde in Leipzig das Hotel Merkur eröffnet, ein absolutes Luxushotel. In der Halle 16, einem der Zentralgebäude
auf dem Messegelände, hatten weit über 50 westliche Banken Stände gemietet, es gab eine ganze ›Bankenstraße‹. Wie verklärten
sich die Gesichter, wenn der Minister für Außenhandel der DDR, Dr. Gerhard Beil, unter laufenden Kameras des DDR-Fernsehens
plötzlich den Saal betrat. Man erstarb fast vor Ehrfurcht, wenn sich Dr. Schalck, was selten vorkam, auf einem Bankempfang
für Sekunden blicken ließ. Und die Reden, die Trinksprüche. Was gab es Schöneres und Besseres als die liebe DDR und ihre geschätzten
Würdenträger.«
Die Stimmung trübte sich erst, als Anfang der 80er Jahre Polen |226| seine Kredite nicht mehr bedienen konnte. Jetzt sollte nach den Vorstellungen des Westens die sogenannte Regenschirmtheorie
zur Anwendung kommen. Die Sowjetunion, so die Überzeugung, würde ihre Ostblocksatelliten nicht im Regen stehen lassen, den
Schirm aufspannen und die westlichen Banken mit den enormen russischen Goldreserven beruhigen. Aber die verweichlichten Westbanker,
die bei den Saufgelagen nie bis zum Schluss durchhielten, hatten keine Ahnung von den Tiefen der russischen Seele. Natürlich
spannte die Sowjetunion keinen Schirm über Polen auf. Die Kredite mit Polen mussten abgeschrieben werden, und das brachte
den gesamten Ostblock in Verruf. Das Interesse an Kreditgeschäften mit den
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