Abbau Ost
Ostblockstaaten, selbst um den Preis von Menschenrechtsverletzungen.
Als Bayer war Strauß der Vertreter eines noch bis Kriegsende sehr ländlich geprägten Bundeslandes, das wie kein zweites von
der deutschen Teilung profitierte. Und das sollte auch in Zukunft so bleiben. Nur konnte das Franz Josef Strauß, dessen angebliche
Aufrichtigkeit immer Teil seiner Selbstinszenierung war, nicht öffentlich aussprechen.
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Wandel durch Annäherung
Wenn es richtig ist, und ich glaube, es ist richtig, dass die Zone
dem sowjetischen Einflussbereich nicht entrissen werden kann,
dann ergibt sich daraus, dass jede Politik zum direkten Sturz des
Regimes drüben aussichtslos ist. Diese Folgerung ist rasend unbequem
und geht gegen unser Gefühl, aber sie ist logisch. Sie bedeutet
, dass Änderungen und Veränderungen nur ausgehend von dem
zur Zeit dort herrschenden verhassten Regime erreichbar sind.
Egon Bahr (SPD), am 15. Juli 1963 in der Evangelischen Akademie Tutzing
Noch unmittelbar vor der Wende lieferte Hans-Otto Bräutigam, viele Jahre Leiter der ständigen Vertretung der Bundesrepublik
in der DDR, ein eindrucksvolles Beispiel für den deutschlandpolitischen |231| Autismus der Bundesregierung. Hans-Otto Bräutigam hatte während seiner Amtszeit von 1982 bis 1988 in Ostberlin gelebt, verfügte
über vielfältige Kontakte zur SED-Führung und hatte täglich Gelegenheit, sein Einschätzungsvermögen, sein Wissen über die
tatsächlichen Zustände in der DDR mit der Realität in Einklang zu bringen. »Die DDR«, sagte Hans-Otto Bräutigam noch zu Beginn
des Jahres 1989 in einem Interview, »hat einen Zustand relativer Stabilität erreicht.« Diesen Zustand, urteilte der Regierungsbeamte
und spätere Justizminister des Landes Brandenburg, werde sie halten können. Die DDR sei kein Land für dramatische Änderungen
und Wechsel.
Hans-Otto Bräutigam war kein Einzelfall, auch wenn er ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die Sichtweise des Westens
lieferte. Wie konnte dieser hochrangige Bundesbeamte, der so viele Jahre als Westdeutscher unter Ostdeutschen gelebt hatte,
zu einer derart grandiosen Fehleinschätzung kommen? Die Antwort führt zurück ins Jahr 1963, an die Evangelische Akademie in
Tutzing, wo Egon Bahr seine historische Rede unter dem Titel ›Annäherung durch Wandel‹ hielt. Bis zum Bau der Berliner Mauer
hofften viele Ost- und Westdeutsche gleichermaßen, dass beide Teile Deutschlands in einem überschaubaren Zeitrahmen wieder
zusammenwachsen könnten. Der Mauerbau setzte diesen Hoffnungen ein Ende. Im Westen Deutschlands entlud sich ein Gewitter der
Empörung. Doch die DDR, die für viele zu Beginn der 60er Jahre bereits abgewirtschaftet hatte, konnte durch die brutale Abschottung
vom Westen wieder einen relativ stabilen Zustand erreichen. Vor allem aber waren Tatsachen geschaffen worden, zu denen sich
die Bundespolitik positionieren musste. Zu diesem Zeitpunkt wollte Egon Bahr wieder etwas Rationalität in die sehr emotional
geführte Debatte bringen. »Die theoretische Vorstellung«, sagte der SPD-Politiker in der Evangelischen Akademie, »dass in
Ostberlin ein Demokrat säße, macht sofort deutlich, dass die sowjetische These, die Wiedervereinigung sei allein Sache der
Deutschen, die Herrschaft eines sowjetischen Vizekönigs in Ostberlin voraussetzt. Die Voraussetzungen zur Wiedervereinigung
sind nur mit der Sowjetunion zu schaffen. Sie sind nicht in Ostberlin |232| zu bekommen, nicht gegen die Sowjetunion, nicht ohne sie. Wer Vorstellungen entwickelt, die sich im Grunde darauf zurückführen
lassen, dass die Wiedervereinigung mit Ostberlin zu erreichen ist, hängt Illusionen nach und sollte sich die Anwesenheit von
20 oder 22 gut ausgerüsteten sowjetischen Divisionen vergegenwärtigen.« Wer den Menschen in Ostdeutschland Erleichterungen
bringen wollte, das war die Botschaft von Egon Bahr, müsse dem SED-Regime die Angst vor einer Revolution nehmen. »Die Frage
ist, ob es nicht Möglichkeiten gibt, diese durchaus berechtigten Sorgen dem Regime graduell so weit zu nehmen, dass auch die
Auflockerung der Grenzen und der Mauer praktikabel wird, weil das Risiko erträglich ist.«
Tatsächlich dauerte es noch mehr als zwei Jahrzehnte, ehe die Sowjetunion die Ansprüche auf ihre ostdeutsche Provinz aufgab.
In dieser Zeit hatte eine schleichende Gewöhnung eingesetzt, der deutsch-deutsche Alltag war bestimmt von der »Politik der
kleinen
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