Abbau Ost
politische Pendants in Zeiten des Kalten Krieges. Ihre Amtszeiten überschnitten sich sogar in den so entscheidenden frühen
80er Jahren, in denen sich die wirtschaftlichen Probleme in Osteuropa zuspitzten, Michail Gorbatschow zum Kremlchef aufstieg
und die Entspannungspolitik einleitete. Und doch könnten die politischen Karrieren beider Männer unterschiedlicher kaum sein.
Herbert Häber, ein rechtskräftig verurteilter Krimineller mit einer gescheiterten politischen Karriere, der heute, verglichen
mit den Pensionsansprüchen seines westdeutschen Gegenstücks, in ärmlichen Verhältnissen lebt – und Heinrich Windelen, der
auf ein erfolgreiches Leben zurückblickt, der auch im hohen Alter noch eine politische Funktion ausübt und die denkbar höchste
gesellschaftliche Reputation genießt. Die Leistungen beider Politiker werden völlig unterschiedlich bewertet und das, obwohl
sich Herbert Häber bereits in den 70er Jahren für das wirtschaftliche Zusammenwachsen und die Überwindung der deutschen Teilung
engagiert und dabei mehr als nur seine Gesundheit riskiert hatte. Unter den misstrauischen Blicken Moskaus und überwacht von
mehreren Geheimdiensten, hatte Häber Beziehungen zu Westdeutschland geknüpft, und das in erster Linie zu Unionspolitikern.
Was aber hatte Heinrich Windelen, der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, in dieser Zeit unternommen? »Wir hatten«,
entgegnet der CDU-Politiker, »einen Forschungsbeirat beim innerdeutschen Minister, der Forschung für den Tag X betrieben hat.
Aber der ist ja unter Herbert Wehner abgeschafft worden.«
Herbert Wehner (SPD) war in der Großen Koalition unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger von 1966 bis 1969 Bundesminister für gesamtdeutsche
Fragen. Mit dem Regierungsantritt von Willy Brandt 1969 wurde die Regierungsbehörde umbenannt in Bundesministerium für innerdeutsche
Beziehungen. Der Forschungsbeirat entwarf Szenarien für den Fall der deutschen Einigung, |219| besser gesagt für den erwarteten Zusammenbruch und die Übernahme des zweiten deutschen Staates. Wehner aber glaubte an die
Stabilität der DDR, er hielt den Beirat folglich für überflüssig und im Übrigen für einen Affront gegenüber der DDR-Regierung.
Aber hätte der innerdeutsche Minister, auch ohne den Forschungsbeirat, in den 80er Jahren nicht mehr unternehmen müssen, damit
die Einigung nicht so sturzflutartig über die Deutschen hereingebrochen wäre, wie es in den Wendejahren 89/90 geschehen war?
»Haben wir ja«, rechtfertigt sich Heinrich Windelen. »Es gab Jugendaustausch und Städtepartnerschaften, die DDR hatte die
Zügel durchaus ein bisschen locker gelassen. Außerdem gab es die Milliardenkredite und den Interzonenhandel.«
Wie viele Mitarbeiter gab es eigentlich im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen? »Vielleicht 600«, antwortet Heinrich
Windelen, »ich weiß es nicht mehr genau. Wissen Sie, wie lange das her ist!« Der CDU-Politiker, noch bis 1990 im Bundestag,
musste bereits 1987 aus der Kohl-Regierung ausscheiden. Nach ihm wurde Dorothee Wilms innerdeutsche Ministerin und führte
die Behörde bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1991. Die Beamten wurden vom Bundesinnenministerium übernommen. »Dort können die
sicher genaue Zahlen nennen.« Rückblickend bedauert Heinrich Windelen sein frühes Ausscheiden aus dem Regierungsamt. »Lange«,
sagt er, »hat es nicht mehr gedauert. Ich hätte das gern noch zu Ende gebracht.«
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Interzonenhandel
Der innerdeutsche Handel oder Interzonenhandel konnte über den gesamten Zeitraum der deutschen Teilung – bis auf wenige Ausnahmen
wie beispielsweise 1961, dem Jahr des Mauerbaus – kontinuierliche Zuwächse verbuchen. Der Umsatz belief sich 1989, im letzten
Jahr der Teilung, auf rund 16 Milliarden Verrechnungseinheiten (VE), was 16 Milliarden D-Mark entsprach. Es gab keinen Umrechnungskurs
für Ost- und Westmark, der innerdeutsche Handel war ein reiner Warenaustausch, und das zollfrei und |220| im Westen Deutschlands mit begünstigtem Mehrwertsteuersatz. Die alte Bundesrepublik, und das ist schon erstaunlich, lieferte
vor allem Steinkohle, Koks und Erdöl in das an Rohstoffen arme Ostdeutschland und bekam dafür veredelte Produkte, vor allem
Motorenbenzin, Heizöl und Kunststoffe. Ähnlich zeigte sich die Bilanz beim innerdeutschen Handel mit landwirtschaftlichen
Produkten. Westdeutschland lieferte eiweißhaltige Futtermittel und bezog aus dem Osten
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