Abbau Ost
unerhörte
Offerte. Der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl forderte einen mehrere Jahre andauernden, schrittweisen Einigungsprozess.
Eine Währungsunion sah Karl Otto Pöhl als letzten Schritt einer politischen und wirtschaftlichen Annäherung beider deutscher
Staaten. Helmut Kohl setzte sich über alle Bedenken hinweg. Am 13. März 1990, |278| fünf Tage vor der letzten Volkskammerwahl, versprach der westdeutsche Regierungschef auf einer Wahlkundgebung im ostdeutschen
Cottbus, dass kleinere Sparguthaben zu einem Wechselkurs von 1:1 umgetauscht würden. Die Nachricht verbreitete sich wie ein
Lauffeuer. Wie sich später herausstellte, hatte Kohl den Umtauschkurs weder mit der Bundesbank noch mit dem Bundeskabinett
hinreichend abgestimmt.
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Die letzten Volkskammerwahlen
Die neuen politischen Kräfte hatten am Runden Tisch entschieden, dass im Wahlkampf keine westdeutschen Politiker auftreten
sollten. Weder die CDU, die Helmut Kohl nach vorn stellte, noch die SPD, die vor allem Willy Brandt, Hans-Joachim Vogel und
Oskar Lafontaine ins Rennen schickte, hielten sich an die Vereinbarung. Die westdeutschen Parteien, die jegliche Einflussnahme
auf die Volkskammerwahlen bis heute bestreiten, unterstützten den Wahlkampf mit insgesamt 7,5 Millionen D-Mark. Davon gingen
allein 4,5 Millionen an die CDU, während SPD und FDP mit jeweils etwa 1,5 Millionen D-Mark auskommen mussten.
Bei den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 konnten sich 12,2 Millionen Wähler zwischen 19 Parteien und 14 weiteren, in fünf
Listenverbindungen zusammengefassten Parteien entscheiden. Das Ergebnis brachte ein totales, von niemandem erwartetes und
allen Meinungsumfragen widersprechendes Debakel für die SPD und warf einen langen Schatten auf die für den Herbst angekündigten
Bundestagswahlen. Die ostdeutschen Sozialdemokraten bekamen mit 21,9 Prozent bei den letzten DDR-Volkskammerwahlen noch nicht
einmal halb so viel Stimmen, wie die westdeutschen Sozialdemokraten gehofft hatten. Damit konnte sich die Ost-SPD gerade noch
von der drittstärksten Kraft, der SED-Nachfolgepartei PDS absetzen, die mit einem Stimmenanteil von 16,4 Prozent recht zufrieden
wirkte. Der eindeutige Wahlsieger aber hieß Helmut Kohl. Die durch ihn repräsentierte und in den Wahlkampf geführte »Allianz
für Deutschland« erreichte |279| 48,15 Prozent der Stimmen. Der weitaus größte Stimmenanteil innerhalb des konservativen Wahlbündnisses, allein 40,8 Prozent,
ging auf das Konto der Ost-CDU. Die Wahlbeteiligung lag bei 94 Prozent.
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Die wahnsinnig gewordenen Deutschen
Die westlichen Siegermächte waren stark beunruhigt, als sie zu Hause vor den Bildschirmen den Zusammenbruch ihrer Nachkriegsordnung
erlebten. Der Zeitpunkt, da sie den alten Kontinent zwischen sich und den Russen aufgeteilt hatten, lag bald zwei Generationen
zurück. Inzwischen erinnerte sich kaum noch jemand, wie das war damals, als die Ostdeutschen verloren gegeben wurden und man,
bei aller nach außen demonstrierten Aufregung, alles sanktionierte, was einen Teil des deutschen Volkes gefügig machte und
im sowjetischen Einflussbereich hielt. Manchem liefen damals eisige Schauer über den Rücken beim Bau der innerdeutschen Grenzbefestigungen
und bei der Teilung Berlins. Die Konstruktion schien damals so gewagt, dass eigentlich niemand recht glaubte, so etwas könnte
lange halten. Es hielt mehr als vier Jahrzehnte. Es waren schöne und friedliche Jahre für Westeuropa und für die alte Bundesrepublik.
Eigentlich hätte es so weitergehen können. Die Westmächte machten keinen Hehl aus ihrer Abneigung, dass die europäische, auf
der deutschen Teilung fußende Nachkriegsordnung nun etwas Neuem, möglicherweise Unsicheren weichen sollte.
Vier Tage nach dem Mauerfall holte George Bush sen. Außenminister Henry Kissinger zu sich ins Weiße Haus. Die beiden amerikanischen
Autoren Michael R. Beschloss und Strobe Talbot dokumentierten die Unterredung in ihrem 646 Seiten starken Buch: ›Auf höchster
Ebene. Das Ende des Kalten Krieges und die Geheimdiplomatie der Supermächte 1989–1991‹, Düsseldorf 1993. Bush und Kissinger
kamen überein, dass die »Wiedervereinigung unausweichlich« geworden sei, auch wenn sie dieser Erkenntnis skeptisch gegenüberstanden.
Kissinger vertrat die Ansicht, Amerika |280| sollte sich dieser unausweichlichen Entwicklung nicht verweigern, denn sollten »die Deutschen das Gefühl bekommen, dass
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