Abbau Ost
wir
ihre Bestrebungen unterlaufen, werden wir später dafür bezahlen müssen.«
Der französische Präsident hatte sich zum ersten Mal ernsthaft am 28. November 1989 mit dem Problem auseinandergesetzt. Er
bekam einen Wutausbruch. »Aber er hat mir nichts gesagt!«, tönte François Mitterrand, als er von Helmut Kohls Rede im Bundestag
und vom Zehn-Punkte-Programm erfuhr. »Nichts gesagt! Das werde ich nie vergessen! Gorbatschow wird wütend sein, er wird das
nicht zulassen, das ist unmöglich!« Jacques Attali notierte den Wutausbruch des Präsidenten in seinem Tagebuch.
Während Frankreichs Staatschef in seinen öffentlichen Äußerungen nie so deutlich wurde wie in Gegenwart seines Beraters, bezeichnete
Margaret Thatcher die deutschen Vereinigungspläne schlicht als inakzeptabel. Bundeskanzler Kohl galt der Eisernen Lady als
Vertreter des D-Mark-Chauvinismus. Sie machte, bei aller gebotenen Höflichkeit und ihren vollendeten englischen Umgangsformen,
nie einen Hehl aus ihrer Abneigung. In Äußerungen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen, forderte Thatcher
das Fortbestehen der beiden militärischen Paktsysteme und des bewährten europäischen Gleichgewichts. Die Einigung Deutschlands
sah sie allenfalls am Ende eines etwa zehn Jahre dauernden Demokratisierungsprozesses in der DDR. Während der Sitzung des
Europarates am 8. Dezember 1989 schlug sie Mitterrand sogar ein französisch-englisches Bündnis als Gegengewicht zu den ihrer
Meinung nach wahnsinnig gewordenen Deutschen vor. Es ging vor allem um wirtschaftliche Bedenken. Thatcher und Mitterrand fürchteten
das erdrückende wirtschaftliche Übergewicht eines möglicherweise gestärkt aus dem Einigungsprozess hervorgehenden Großdeutschland.
Noch am 4. Oktober 1990, dem Tag nach der Unterzeichnung des Einigungsvertrages, schrieb Jacques Attali in sein Tagebuch,
Mitterrand wolle Deutschland möglichst schnell in der politischen Union Europas »auflösen«, damit »die deutsche Arroganz nicht
von Neuem den Frieden in Europa bedrohen wird«.
|281| Die Aufregung war unbegründet. Frankreich und England hatten die alte Bundesrepublik schon damals stark überschätzt. Bereits
wenige Monate nach der D-Mark-Umstellung und dem Auftakt des Privatisierungsgeschäfts zerschlugen sich ihre Befürchtungen
vor einem prosperierenden Großdeutschland. Vergleichsweise realistisch ging dagegen Moskau das Problem an. Bereits am 19.
November 1989, nur zehn Tage nach dem Mauerfall, kam Nikolai Portugalow, Deutschlandkenner und Berater des Zentralkomitees
der KPdSU, zu einem Besuch ins Kanzleramt. Er wollte herausfinden, wie die Bundesregierung zur Entwicklung in der DDR stand
und überraschte die Bonner Equipe, indem er andeutete, dass die Sowjetunion einer deutsch-deutschen Konföderation offen gegenüberstand.
Der Besuch Portugalows inspirierte Helmut Kohl zu seinem Zehn-Punkte-Programm, das er neun Tage später vor dem Bundestag verkündete
und in dem erstmals öffentlich von »konföderativen Strukturen zwischen beiden Staaten in Deutschland« die Rede war.
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Meckel hat nicht verstanden
Schon eine Woche vor dem eigentlichen Termin erläuterte der Hofmarschall die Zeremonie in allen Einzelheiten. Noch an jenem
5. Mai 1989, als die königliche Kutsche bereits in die Hofeinfahrt des Buckingham Palace einbog, wiederholte der Hofmarschall
eindringlich: »Sie stellen keine Fragen, Sie haben lediglich auf die Fragen Ihrer Majestät zu antworten.« Die Kutsche hielt.
Joachim Mitdank stieg aus und nahm vor der Ehrenkompanie Haltung an. Dann öffnete sich die Tür zum Thronsaal und er näherte
sich langsam, gemessenen Schrittes Elisabeth II. und überreichte ihr sein Beglaubigungsschreiben als Botschafter der DDR in
London und Dublin. Die Queen nahm ihn in Augenschein und fragte, wie er sich in London fühle und ob er schon etwas von der
Stadt gesehen habe?
Der Diplomat antwortete, London gefiele ihm sehr gut, er habe bereits einiges von der Stadt gesehen und sich schon ein wenig |282| eingelebt. »Ich empfinde es als eine große Ehre«, fügte er noch hinzu, »an dem Tag empfangen zu werden, an dem in Berlin vor
44 Jahren die Viermächteerklärung über die Niederlage Deutschlands unterschrieben und der Zweite Weltkrieg beendet wurde.«
Königin Elisabeth schien ein wenig überrascht. »Sie haben recht, ich erinnere mich an diese Zeit. Damals diente ich in der
Rheinarmee.«
»Ich weiß«,
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