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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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zweiten Halbjahr
     1990 bis Ende 2001, stiegen die Konsumgüterpreise in Ostdeutschland sehr viel schneller als in Westdeutschland, nämlich um
     70,2 Prozent gegenüber 27,7 Prozent, sodass der anfängliche Kaufkraftvorteil Ost dahinschmolz und die Einkommenserhöhungen
     durch die Kaufkraftentwicklung zu einem Gutteil wieder wettgemacht wurden.« Fünf Jahre nach der Währungsumstellung ließ sich
     der damalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer in einer Pressemeldung seines Hauses mit den Worten zitieren, dass in Ostdeutschland
     »die realen Einkommen in den meisten Fällen erhalten oder sogar angehoben werden konnten«. In diesen statistischen Durchschnittswerten
     verbarg sich allerdings die Tatsache, dass einige |52| Bevölkerungsgruppen, vor allem Arbeitslose und Alleinerziehende, reale Einkommensverluste verkraften mussten. Gemessen an
     der Kaufkraft verfügt inzwischen ein schnell größer werdender Teil der ostdeutschen Bevölkerung über ein geringeres Einkommen
     als zu DDR-Zeiten. »Seit Mitte der 90er Jahre«, schreibt Ulrich Busch, »hielten die Einkommenserhöhungen mit der Preisentwicklung
     kaum mehr Schritt, sodass die Realeinkommen – im Gegensatz zu weit verbreiteten Vorstellungen im Westen – insgesamt nur noch
     moderat, in vielen Fällen überhaupt nicht mehr anstiegen. Die Angleichung der effektiven Arbeitseinkommen an das Westniveau
     stagniert in fast allen Branchen bei 70 bis 75 Prozent. Nicht selten unterschreiten die aktuellen Werte inzwischen bereits
     wieder die in der zweiten Hälfte der 90er Jahre erreichten maximalen Relationen.«

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Neuanfang mit alten Schulden
    Ostdeutsche Privathaushalte waren kaum verschuldet. Nur aus diesem Grunde wurde die D-Mark-Umstellung von den DDR-Bürgern
     uneingeschränkt positiv bewertet und geradezu euphorisch begrüßt. Es gab in der DDR praktisch keine Konsumtionskredite. Bei
     der einzigen Ausnahme, dem »Zinslosen Kredit für junge Eheleute«, handelte es sich um eine sozialpolitische Maßnahme und nicht
     um ein Bankgeschäft im marktwirtschaftlichen Sinne. Während der Ehekredit selbstverständlich von nahezu allen Eheleuten in
     Anspruch genommen wurde, hatte sich ein kleiner Teil der ostdeutschen Bevölkerung in Eigeninitiative ein Eigenheim gebaut
     oder einen Altbau saniert und dafür einen staatlichen Baukredit bekommen. Auch diese Kredite hatten nur wenig mit Schuldverschreibungen
     in einem marktwirtschaftlichen Bankensystem gemein. Die Baukosten für ein standardisiertes Eigenheim beliefen sich auf etwa
     60 000 DDR-Mark, die gänzlich, also ohne einen finanziellen Eigenanteil und andere Sicherheiten, über die Staatsbank finanziert
     wurden. Die Höhe des Schuldendienstes lag im Regelfall über den Kosten einer staatlich subventionierten Mietwohnung, |53| stellte die Kreditnehmer aber nicht vor ernsthafte, der heutigen Situation vergleichbare Finanzierungsprobleme. Eine Überschuldungssituation
     und drohende Zahlungsunfähigkeit waren praktisch undenkbar. Die Tilgung wurde üblicherweise auf ein Prozent der Kreditsumme
     festgesetzt, die Laufzeit erstreckte sich über 100 Jahre, die Zinsen beliefen sich, je nachdem, ob es sich um einen Neubau
     oder eine Altbausanierung handelte, auf 1 bis 4,5 Prozent.
    Am Tag der Währungsumstellung erhöhten Sparkassen und Banken einseitig, sozusagen per Dekret, die Zinsen der halbierten Kreditsummen
     auf den damaligen Marktzins von deutlich über neun Prozent. Kredite für junge Eheleute waren von der Zinsanpassung ausgenommen.
     Doch bei den Baukrediten konnte sich in der Hochzinsphase zu Beginn der 90er Jahre die monatliche Rate leicht verdreifachen,
     und das trotz der rein zahlenmäßigen Halbierung der Schuld. Bei vielen der Bauherren machte sich die Empörung an den Bankschaltern
     und in persönlichen Gesprächen mit dem überforderten Bankpersonal Luft, doch das brachte niemanden weiter, die Ungerechtigkeit
     war staatlich sanktioniert. Also zahlten die Betroffenen zähneknirschend und trösteten sich damit, dass es sich, gemessen
     an westdeutschen Baukrediten, um kleine Summen handelte und der Wert ihrer Immobilie im Zuge der Wiedervereinigung gestiegen
     war.
    Der weit überwiegende Teil der DDR-Bevölkerung hatte zum Zeitpunkt der Währungsumstellung überhaupt keine Kreditschulden.
     Bei einem in westlichen Industriegesellschaften üblichen Verschuldungsgrad hätte der Tag der D-Mark-Umstellung für viele DDR-Bürger
     den Privatkonkurs bedeutet. Doch während die

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