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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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gepackt. »So eine Beschwerde muss sitzen, da darf einem kein Fehler unterlaufen. |56| Da soll es auch zur Verhandlung kommen. Als Professor will man nicht abgelehnt werden.« Karl Albrecht Schachtschneider, Inhaber
     des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Nürnberg-Erlangen, wähnte sich vor der größten Herausforderung seines
     Berufslebens. In letzter Konsequenz standen ostdeutsche Altschulden von rund 180 Milliarden D-Mark zur Verhandlung, dazu kamen
     noch Zinsforderungen von damals 40 bis 50 Milliarden D-Mark. Wohl kein Gericht der Welt hatte sich je zuvor mit Fragen der
     Rechtmäßigkeit eines solchen Kreditvolumens befassen müssen. Dieser Fall, über den in der Öffentlichkeit allenfalls zurückhaltend
     berichtet wurde und der heute beinahe in Vergessenheit geraten ist, sprengte jeden Rahmen. »Das ist der größte Skandal«, sagt
     Karl Albrecht Schachtschneider, »den ich kenne. Und er ist nie aufgeklärt worden.«
    Aufmerksam war der Rechtsprofessor durch Friedrich Schmidt geworden. Die beiden Juristen kannten sich von einem früheren Rechtsstreit.
     Der Insolvenzverwalter mochte sich mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes nicht abfinden und schilderte dem Berufskollegen
     den Fall der LPG Schlanstedt. Die DDR-Altschuldenfrage löste bei Karl Albrecht Schachtschneider eine derart große Empörung
     aus, dass er seine Argumentation über die Grundgesetzwidrigkeit sozialistischer Schulden zwei Jahre später – zu diesem Zeitpunkt
     hatte das Bundesverfassungsgericht noch immer keine Entscheidung getroffen – in Buchform veröffentlichte: ›Sozialistische
     Schulden nach der Revolution. Kritik der Altschuldenpolitik. Ein Beitrag zur Lehre von Recht und Unrecht‹, Verlagsbuchhandlung
     Duncker & Humblot, Berlin 1996. Die Beweisführung des Rechtsprofessors war so einfach wie bestechend. Zunächst zitierte er
     das Urteil des Bundesgerichtshofes, in dem es hieß: »Der planwirtschaftliche Kredit war damit im Wesentlichen durch eine Verteilungs-,
     Kontroll- und Stimulierungsfunktion geprägt. Für die Betriebe bestand ein Zwang zur Kreditaufnahme, da ihr Finanzbedarf durch
     den Plan vorgegeben war und die ihnen vom Staat belassenen Eigenmittel zur Erfüllung der Planziele nicht ausreichten.« Insofern
     erkannten die Richter durchaus an, dass die sozialistischen Schulden unter völlig anderen, geradezu |57| konträren Verhältnissen als marktwirtschaftliche Kreditverträge zustande gekommen waren und ihre Fortführung über den Untergang
     des sozialistischen Staates hinaus gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstieß. Doch der BGH zog sich mit einem Hinweis auf
     den deutsch-deutschen Einigungsvertrag aus der Affäre. »Die grundsätzliche Entscheidung«, hieß es im Urteil des Bundesgerichtshofes,
     »welchen Einfluss der Wechsel des Wirtschaftssystems auf die nach DDR-Recht begründeten Verbindlichkeiten haben soll, war
     Sache des Einigungsgesetzgebers.« An diesem Punkt setzte Schachtschneiders Argumentation an. Die Altschuldenregelung würde
     der deutschen Einigung grundsätzlich zuwiderlaufen, denn die Abschaffung der sozialistischen Planwirtschaft sei der Hauptgrund
     für den gesellschaftlichen Umbruch in der DDR und den Beitritt fünf neuer Bundesländer zum markwirtschaftlichen System der
     Bundesrepublik gewesen. Würden die sozialistischen Schulden fortgeführt, sei die gesamte Einigung eine Farce. »Die im Zuge
     des Beitritts der neuen Länder zur Bundesrepublik Deutschland verselbstständigten Unternehmen«, schrieb Karl Albrecht Schachtschneider,
     »einschließlich der LPGen, durften darauf vertrauen, dass die Revolution die bedrückenden Verhältnisse der sozialistischen
     Planwirtschaft endgültig beendet hat. ›Schuldverhältnisse‹ jedenfalls des ›sozialistischen Wirtschaftsrechts‹ existierten
     nach der Revolution nicht mehr. Wenn das Vertragsgesetz und die Kreditverordnung weiter maßgebend sind, muss das gesamte sozialistische
     Wirtschaftssystem in Geltung bleiben; denn diese Regelungen haben ausschließlich in einer sozialistischen Planwirtschaft einen
     möglichen Sinn. Sie sind ohne dieses Wirtschaftssystem unanwendbar, funktionslos. Die sogenannten Kredite müssten ihre sozialistische
     Funktion bewahren, die der Planung, Lenkung und Kontrolle. Das sozialistische Eigentum nach Art. 10 ›Verf. DDR‹ müsste beibehalten
     werden, weil das sozialistische Wirtschaftsrecht konsequent auf dieser systembestimmenden Entscheidung aufgebaut war.«
    Nach

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