Abbau Ost
Betriebsteilen identisch, weil sich über die Jahre
und Jahrzehnte technische wie ökonomische Notwendigkeiten ergeben hatten, die einerseits zu teilweisen Stilllegungen, andererseits
aber auch zu Neu- bzw. Erweiterungsinvestitionen geführt hatten. Eine eindeutige und klare Zuordnung des enteigneten Betriebes
zum heutigen Unternehmen war meistens unmöglich, dagegen ein Netz von Restitutionsansprüchen die Regel. Aufgrund der Unmenge
von Anträgen, die die Ämter insbesondere in der Anfangszeit überflutete«, schrieb Thomas Betz weiter in ›Am Ziel vorbei. Die
Deutsche Einheit – Eine Zwischenbilanz‹, Berlin 2005, »war es nicht ungewöhnlich, dass Anspruchsteller bei der Treuhand erschienen,
die zwar noch keine Berechtigung nachweisen konnten, sich aber gleichwohl – von auf das Vermögensrecht spezialisierten Anwälten
unterstützt – |77| auf Rechtsansprüche beriefen und Forderungen in Millionenhöhe anmeldeten. Meistens handelte es sich um Kinder, Enkel oder
anderweitige Erben der ehemals Enteigneten, die zwar nicht unbedingt Branchenkenntnisse mitbrachten, aber ihre Rechtsansprüche
oder doch zumindest die Aussicht darauf. Teilweise waren sie aber auch gar nicht verwandt, sondern hatten sich die Ansprüche
notariell gegen Geld abtreten lassen. Seltener traten die Enteigneten in persona auf, was aber die betriebswirtschaftlichen
Erfolgschancen der Reprivatisierung nicht unbedingt erhöhte. Denn abgesehen davon, dass sie sich meistens schon im Rentenalter
befanden, waren sie oft seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten nicht mehr in der Branche tätig.«
So fahndeten die Treuhandverantwortlichen in ihrem Unternehmenssammelsurium nach Strukturen, die den enteigneten Unternehmen
oder den Ansprüchen der Alteigentümer möglichst nahekamen. Dabei profitierten die Begünstigten von Investitionen aus der DDR-Zeit.
Zwar war im Vermögensgesetz eine »Ausgleichsleistung wegen wesentlicher Verbesserung der Vermögenslage« vorgesehen, doch offenbar
haben jene, die das Alteigentum in Besitz nahmen, keine nennenswerten Zahlungen geleistet. Die gesetzlichen Bestimmungen waren
so gefasst, dass die relevanten, zur Berechnung der Ausgleichszahlungen herangezogenen Bilanzwerte zugunsten der Alteigentümer
gedeutet werden konnten. Dagegen sahen die Reprivatisierungsgesetze recht üppige Subventionen im Falle einer mittlerweile
eingetretenen Überschuldung vor. Neben dem Anspruch auf eine »Ausgleichsleistung wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögenslage«
steigerte vor allem die gesetzlich verbriefte »Ausgleichsleistung wegen wesentlicher Verschlechterung der Ertragslage« die
Begehrlichkeiten am Alteigentum. »Dieser Ertragsausgleich«, schrieb Thomas Betz, »war häufig wertmäßig viel bedeutender als
der Substanzwert des zurückzuübertragenden Vermögens, überstieg diesen teilweise sogar um ein Vielfaches und avancierte so
zum eigentlichen Objekt der Begierde.« Allerdings konnten den Ertragsausgleich nur Unternehmen beanspruchen, denen die Treuhandanstalt
zuvor Sanierungsfähigkeit bescheinigte. Dazu prüfte die Reprivatisierungsabteilung |78| die unternehmerischen Pläne des Anspruchstellers. Falls das Sanierungskonzept auf Wohlwollen stieß, ging es an die Berechnung
des Ertragsausgleichs. »Völlig unabhängig von der zur Debatte stehenden Branche«, beschrieb Thomas Betz das Prozedere, »von
der konkreten Situation des Unternehmens und seinem Finanzbedarf, von den geplanten Produkten und auch vom kurz zuvor eingereichten
Unternehmenskonzept, kurz: Unabhängig von der betriebswirtschaftlichen Sinnfälligkeit war die allein maßgebliche Größe für
die Berechnung des Ertragsausgleiches der eingetretene Verlust während eines der zurückliegenden Geschäftsjahre. Die Treuhänder
reimten fröhlich: ›Nimm Papier und Blei, multipliziere mal drei.‹«
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Investitionen in die Vergangenheit
Am 6. September 1994, als fast die Hälfte der Reprivatisierungsansprüche erledigt waren, schrieb die ›Frankfurter Allgemeine
Zeitung‹, dass für zurückgegebene Unternehmen zwischen 0 und 30 Millionen D-Mark aufgewendet worden seien, im Durchschnitt
2,05 Millionen D-Mark für jeden Reprivatisierungsfall. Laut Treuhandanstalt wurden »bis Ende 2002 finanzielle Leistungen in
einer Größenordnung von 3,6 Milliarden DM an die zurückgegebenen Unternehmen erbracht«. Diese offizielle Zahl steht, da es
sich um insgesamt knapp 4300
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