Abbau Ost
Bundestagswahlen 2002 deutlich, als die PDS nicht mehr mit eigener
Fraktion, sondern nur noch zwei Direktmandaten in den Bundestag einzog und den schon erreichten Fraktionsstatus wieder aufgeben
musste. Damit die PDS ihr Stigma als Regionalpartei überwinden konnte, waren bei Bundeswahlen zumindest 5 bis 6 Prozent der
Stimmen erforderlich, und das bedeutete 25 Prozent in Ost- und 1 Prozent in Westdeutschland. Die 25 Prozent im Osten waren
realistisch, es haperte an diesem 1 Prozent im alten Bundesgebiet. Am 22. Mai 2005, bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen,
brachte es die PDS auf 0,9 und die westdeutsche Wahlalternative auf 2,2 Prozent. Das war für beide zu wenig. Die PDS bekam
keinen Fuß ins alte Bundesgebiet, und die Wahlalternative, die im Sommer 2004 so hoffnungsvoll gestartet war, blieb eine chancenlose
Partei. Bis zu diesem Zeitpunkt waren PDS und WASG »feindliche Brüder ohne jede Chance auf Zusammenarbeit«. Gemeinsam brachten
sie es bei den Bundestagswahlen praktisch aus dem Stand und unter dem Zeitdruck von nicht einmal vier Monaten Vorbereitung
auf 8,7 Prozent der Stimmen.
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Endlich Demokratie!
Heute wird ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass im Beitrittsgebiet demokratische Verhältnisse herrschen. Bisher
ist nie recht darüber gesprochen worden, wie sich der Demokratisierungsprozess vollzogen hat, und es hat auch nie jemand gefragt,
wann sich im Osten ein demokratisches Selbstverständnis herausgebildet haben könnte. Möglicherweise hatte sich der Wandel
noch zu DDR-Zeiten, mit den ersten und letzten freien Volkskammerwahlen vollzogen. Dann wäre die Deutsche Demokratische Republik
am Ende doch ein demokratischer Staat gewesen, und es wäre rückblickend sehr traurig, dass diese junge Demokratie und das
Volk, das sich diese Staatsform aus eigener Kraft gegeben hatte, so schnell von der Bildfläche verschwanden. Andererseits |183| diente bereits alles, was im Hinblick auf die letzten Volkskammerwahlen geschah, der Auflösung der DDR und dem Beitritt fünf
neuer Bundesländer zur deutschen Föderation. Es ging nicht länger um einen aus der Bevölkerung selbst hervorgehenden, eigenständigen
Demokratisierungsprozess, sondern um das Einpassen der ehemaligen DDR-Bürger in das bereits vollständig vorhandene westdeutsche
Staatsgebilde. Demokratische Verhältnisse müssen folglich im Zuge der deutschen Einigung vom Westen auf den Osten übertragen
worden sein. Dies könnte mit der Einführung der westdeutschen Rechts- und Sozialordnung und der Aushändigung des neuen Zahlungsmittels
an die DDR-Bevölkerung am 1. Juli 1990 geschehen sein. Möglicherweise könnte dieser Zeitpunkt auch einige Monate nach hinten
verlegt werden, bis zur Gründung der fünf neuen Beitrittsländer, der Schaffung von fünf neuen Ministerialbürokratien und den
dazugehörigen Landesparlamenten. – Das war aber nur ein großer, westdeutscher Verwaltungsakt und nichts, was die ostdeutsche
Bevölkerung selbst geschaffen und sich kritisch angeeignet hatte.
Zum Ende der DDR, in der kurzen Zeit zwischen dem alten und dem neuen deutschen Obrigkeitsstaat, hatte es eine geradezu unglaubliche
Zeit gegeben. Die gesamte deutsche Geschichte kann nicht auf eine solche Demokratisierungsbewegung zurückblicken wie in der
DDR Ende 1989 und zu Beginn des Jahres 1990. Dies war ein glaubwürdiger Auftakt. Plötzlich war Politik spannend, und selbst
jene, die sich nur über die Medien auf dem Laufenden hielten, fühlten sich irgendwie mittendrin, als Teil des demokratischen
Wandlungsprozesses. Über den Jahreswechsel 1989/1990 entstand jene unvergessliche Atmosphäre des Widerstreits der alten, sich
aus den eigenen Reihen erneuernden politischen Klasse und den politischen Neulingen, die an Runden Tischen gemeinsam nach
neuen Wegen suchten. Dieser Prozess wurde abgebrochen. Ostdeutschland ist in der Entwicklung demokratischer Traditionen wieder
hinter den Zustand zurückgefallen, den es zu Beginn des Jahres 1990 und in der kurzen Zeit der Regierung der Nationalen Verantwortung
schon einmal erreicht hatte.
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|184| Was bedeutet eigentlich Demokratie?
Die meisten ehemaligen DDR-Bürger haben keine allzu hohe Meinung vom politischen System der Bundesrepublik Deutschland. Möglicherweise
identifizieren sie sich ein Stück weit mit ihrer Stadtverordnetenversammlung oder ihrem Gemeinderat, ansonsten halten sich
ihre Illusionen, was
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