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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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gesunken und liegt derzeit bei weniger als 11 500 Euro – das ist der niedrigste
     seit dem Mauerfall gemessene Wert. Dies entspricht nur noch 63 Prozent des Westniveaus; 1995 wurden hier noch 79 Prozent erreicht.«
     Die Ostdeutschen haben etwaige Rücklagen zum größten Teil aufgebraucht und sind zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts fast
     ausschließlich auf Erwerbstätigkeit und staatliche Unterstützung angewiesen. »In Haushalten mit Mitgliedern im Alter von 20
     bis 60 Jahren«, schrieben die Berliner Wirtschaftsforscher, »waren im Jahre 2004 über 40 Prozent der Menschen in Ostdeutschland
     und immerhin knapp 20 Prozent in Westdeutschland entweder selbst arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit eines anderen Haushaltsmitglieds
     betroffen.«
    Eine Gegenüberstellung veranschaulicht das Problem. Der Medianhaushalt West nahm 2004 insgesamt 18 200 Euro ein. Danach blieben
     ihm nach Abzug der Einkommenssteuern noch 17 400 Euro, das entspricht einem tatsächlich verfügbaren Haushaltseinkommen von
     1 450 Euro monatlich. Der Medianhaushalt Ost brachte es im selben Jahr auf nur 11 500 Euro. Das ist so wenig, |193| dass der mittlere ostdeutsche Haushalt keine Steuern zahlt und der Staat, damit die Familie ihren Lebensunterhalt bestreiten
     kann, 2900 Euro zuschießt. Damit verfügt die in der Mitte der Einkommensverteilung liegende ostdeutsche Familie über insgesamt
     14 400 Euro, das sind 1 200 Euro im Monat.
    Ehemalige DDR-Bürger sind nicht nur arm durch Arbeitslosigkeit, viele kommen trotz Berufstätigkeit auf keinen grünen Zweig.
     Das Berliner Wirtschaftsforschungsinstitut folgt bei seinen Berechnungen zur Armut den Empfehlungen der OECD, wonach jedem
     Haushaltsmitglied ein bestimmter Teil des Äquivalenzeinkommens zugewiesen und damit jedes Familienmitglied entsprechend gewichtet
     (äquivalenzgewichtet) wird. »Dabei erhält der Haushaltsvorstand ein Gewicht von 1; weitere erwachsene Personen haben jeweils
     ein Gewicht von 0,5 und Kinder von 0,3. Als Kind gilt, wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.« Wird das Einkommen
     nach diesem Schema auf die Familienmitglieder verteilt, lässt sich konkret errechnen, ob ein Haushalt unter die Armutsgrenze
     fällt. Nach der für alle Staaten in der Europäischen Union verbindlichen Definition gilt ein Haushalt als arm, wenn dessen
     verfügbares, äquivalenzgewichtetes Markteinkommen höchstens 60 Prozent des mittleren Einkommens beträgt. Diese Armutsschwelle
     gilt für ganz Deutschland. Grundlage für die Berechnungen ist der gesamtdeutsche Medianhaushalt. Danach gilt ein Einpersonenhaushalt
     mit einem Jahreseinkommen von 10 440 Euro (Stand 2004) oder 870 Euro monatlich als arm. Für einen Vierpersonenhaushalt: Vater
     (Äquivalenzgewicht 1), Mutter (0,5), zwei Kinder (je 0,3), muss dieser Wert mit 2,1 multipliziert werden. Ein Vierpersonenhaushalt
     mit einem verfügbaren Jahreseinkommen von 21 924 Euro oder 1827 Euro monatlich fällt unter die Armutsgrenze. »Der Stagnation
     der Armutsquote in Westdeutschland«, schreibt das Berliner Forschungsinstitut, »bei rund 15 Prozent steht in Ostdeutschland
     eine weitere deutliche Zunahme auf nunmehr rund 20 Prozent gegenüber, das heißt, in den neuen Ländern lebt jeder Fünfte unterhalb
     der Armutsschwelle.« Da besonders Haushalte mit Kindern betroffen sind, lebt in Ostdeutschland bereits jedes vierte Kind in
     Armut.

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|194| Die verlorene Generation
    Die ehemaligen DDR-Bürger, die im Jahre 2004 zur Altersgruppe der 50- bis 65-Jährigen zählten, bekennen sich, wie es im ›Sozialreport
     50+‹ des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg e. V. hieß, nach wie vor »fast ausnahmslos« zum Anschluss
     der DDR an die Bundesrepublik, »was Kritik an der Art und Weise der Vereinigung und dem 14 Jahre danach erreichten Niveau
     nicht ausschließt«. Die ostdeutschen Geburtenjahrgänge von 1940 bis 1954, zu denen auch Angela Merkel und Matthias Platzeck
     gehören, haben durch ihre Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen in der DDR den gesellschaftlichen
     Umbruch herbeigeführt und sind bis heute kritisch geblieben. Zum Zeitpunkt der Wende waren sie zwischen 36 und 50 Jahre alt,
     hatten eine solide Ausbildung und standen mitten im Arbeitsleben. Die meisten von ihnen waren beruflich arriviert, ihre Laufbahn
     schien vorgezeichnet und keine allzu großen Überraschungen mehr bereitzuhalten. Das änderte sich, und zwar ausgesprochen

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