Abbau Ost
50+‹, »konzentrieren sich im Jahre 2004 in der Einkommensgrößenklasse von 500 bis 999 Euro.« Dabei ist »die Teilhabe der älteren
Erwerbspersonen am Arbeitsmarkt – ebenso wie die der jüngeren – von hoher Flexibilität und Mobilität geprägt. Es gibt eine
hohe Bereitschaft der älteren Arbeitnehmer/innen, im Interesse der Beteiligung am Erwerbsleben, Einschränkungen bisheriger
Lebens- und Erwerbsformen zu akzeptieren, die im Vergleich zu vorangegangenen Jahren zunimmt. Am ehesten sind 50- bis unter
65-Jährige bereit, Überstunden (51 Prozent), eine berufsfremde Tätigkeit (49 Prozent), längere Arbeitswege (47 Prozent) und
Umschulung (45 Prozent) in Kauf zu nehmen. Selbst verringertes Einkommen wird noch von rund einem Drittel gegebenenfalls akzeptiert.
Wohnortwechsel kommt nur für zwölf Prozent noch infrage.« Mehr als die Hälfte der zum Befragungszeitpunkt 50- bis 65-Jährigen
haben seit der Wende zweimal oder häufiger die Arbeitsstelle gewechselt. Etwa 100 000 pendeln zur Arbeit von den neuen in
die alten Bundesländer (außer Berlin). Untertarifliche Bezahlung ist die Regel. Dabei ist der Anteil prekärer |197| und ungeschützter Arbeitsverhältnisse in diesem Personenkreis ungewöhnlich hoch. Dazu gehören vor allem aus Mangel an Dauerbeschäftigung
eingegangene befristete Arbeitverhältnisse, Teilzeitbeschäftigung aufgrund fehlender Vollzeitangebote und geringfügige Beschäftigung
als einzige Möglichkeit des Gelderwerbs. Dabei machen sich die Geburtenjahrgänge von 1940 bis 1954 über ihre berufliche und
finanzielle Zukunft kaum Illusionen. Gerade mal ein Prozent geht von einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in
den nächsten fünf Jahren aus. Nur zwölf Prozent erwarten ein Alterseinkommen, welches ihrer Lebensarbeitsleistung entspricht.«
Dennoch zeigt sich bei den betrachteten Altersgruppen »eine insgesamt relativ hohe Lebenszufriedenheit«, zumindest was die
Partnerschaft, die Wohnsituation und die Freizeitmöglichkeiten betrifft. So scheint sich diese »von allen lebenden Generationen
am meisten von den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte betroffene Generation« auf einen gewissen Fatalismus
verlegt zu haben und begegnet den Zumutungen ihrer letzten Erwerbsjahre mit einer in unserer postindustriellen Konsumgesellschaft
selten gewordenen Bescheidenheit.
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Der kleine Mann
»So wie mich«, sagt Eckhard Missfeld, »gibt es viele.« Er zieht an seiner Zigarre der Marke »Diplomat« und bläst den Rauch
zur Seite. »Und ich hatte noch Glück. Ich hab noch Arbeit. Jetzt hab ich zum ersten Mal einen von den alten Kollegen gesehen.
Der hat gebettelt. Das war mal ein guter Fachmann. Elektriker.« Eckhard Missfeld, Jahrgang 1947, ist jetzt 59 Jahre alt. Er
arbeitet als Kfz-Aufbereiter in einem Autohaus. Von allen Mitarbeitern ist er der älteste. Der nächste, einer der Verkäufer,
ist 18 Jahre jünger. Von den Werkstattleuten sind einige über 30 Jahre jünger. Zum Zeitpunkt der Einigung hatte Eckhard Missfeld
fast drei Jahrzehnte im VEB Kraftfahrzeuginstandhaltungswerk »Vorwärts« in Schwerin gearbeitet. Dort wurden alte Fahrzeugachsen,
Motoren und Getriebe |198| wieder instand gesetzt. Das Werk hatte über 750 Beschäftigte, die Fahrzeugteile wurden aus der ganzen DDR nach Schwerin zum
Aufarbeiten geschickt. Damit war von einem Tag auf den anderen Schluss. Auf dem Hof lagen noch die alten Achsen, Motoren und
Getriebe. Eckhard Missfeld wurde arbeitslos. Gelernt hatte er Kfz-Schlosser, aber jetzt, im Alter von 46 Jahren, begann er
noch einmal eine zweijährige Lehre als Karosserie- und Fahrzeugbauer. Danach sah es überhaupt nicht gut aus. Dann fand er
doch eine Anstellung, musste die Arbeitsstelle noch zweimal wechseln und war nun als Kfz-Aufbereiter in diesem Autohaus. Über
Geld, dafür hat er unterschrieben, darf er nicht reden. »Früher wusste ich, was der Betriebsdirektor verdient hat.« Er wird
tariflich entlohnt, und das ist, wenn man andere so reden hört, fast schon ein Privileg. »Trotzdem, man wird nie so richtig
glücklich, im Hinterkopf bleibt immer die Angst: Morgen kann es zu Ende sein.« Zu DDR-Zeiten hat er härter gearbeitet als
heute, aber das Wort Hektik kam damals in seinem Wortschatz nicht vor, das hat er erst nach der Wende kennen gelernt. Eckhard
Missfeld sehnt seinen Ruhestand herbei und hofft zugleich, dass er noch bis 65 arbeiten kann. Er muss allein von der
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