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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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staatlichen
     Rente leben und die Abschläge, wenn er schon jetzt in Rente ginge, wären zu hoch. »Manchmal denke ich, wir sind richtig bestraft
     worden für das, was wir selbst verzapft haben.« In der Wendezeit war er jeden Montag bei den Demonstrationen dabei, obwohl
     er nie ein politischer Mensch und auch nie in einer Partei war. »Die Fassaden sahen damals alle grau aus. Das fiel bald alles
     zusammen. Und das mit der Reisefreiheit, das war schlimm in der DDR.« Nach der D-Mark-Umstellung war er ein paarmal mit seiner
     Frau ins Ausland gefahren, nach Österreich und auch einmal nach Venedig. Inzwischen fährt er gar nicht mehr und verbringt
     den Urlaub im Garten. Sie sind den ganzen Sommer über im Garten und schlafen auch in dem 24 Quadratmeter großen Gartenhaus.
     »Das ist wirklich noch DDR. Hilfsbereitschaft steht an erster Stelle.« Von den Gartennachbarn sind einige schon über 70 Jahre
     alt. Wenn in der Gartenkolonie Aufbaustunden geleistet werden müssen, dann arbeiten sie für die Älteren mit und machen eben
     ein paar Stunden länger.
    |199| »Ich muss los, meine Frau abholen.« Eckhard Missfeld dreht den Zigarrenstumpen im Aschenbecher. Seine Frau arbeitet in einem
     Baumarkt. Er holt sie immer ab, wenn sie Spätschicht hat. »Ich weiß auch nicht«, sagt er beim Aufstehen, »das ging alles so
     schnell damals. Wir haben so viel in die BRD exportiert, und plötzlich waren wir ein Deutschland und wir fielen alle hinten
     runter. Mit einem Mal war alles aus.« Er hält den Zigarrenrest immer noch zwischen den Fingern und holt sein Feuerzeug aus
     der Tasche, als wolle er sich den Stumpen noch einmal anzünden. »Das ist gar keine Frage, meine schönsten Jahre hatte ich
     in der DDR.«

[ Menü ]
Frauen lieben Machos
    In der DDR gehörte die Gleichstellung der Frau von Anbeginn zu
den offiziellen Zielen der sozialistischen Gesellschaftspolitik. Diese
»Emanzipation von oben« vollzog sich paternalistisch-autoritär:
Sie wurde von Männern gesteuert und war dem öffentlichen Diskurs
entzogen. Motiviert war sie dreifach: ideologisch, politisch
und ökonomisch. Ideologisch war die Gleichheit von Männern und
Frauen ein Element der egalitären Utopie von der kommunistischen
Gesellschaft. Politisch sollten die Frauen durch den Abbau
von Nachteilen für das neue sozialistische System gewonnen werden
. Und ökonomisch stellten die Frauen ein dringend benötigtes
Arbeitskräftepotenzial für die Wirtschaft dar.
     
    Rainer Geißler (Jahrgang 1939), Soziologieprofessor an der Universität Siegen in ›Geschlechtsspezifische Ungleichheit‹, in:
     ›Informationen zur politischen Bildung der Bundeszentrale für politische Bildung‹, Heft 269, überarbeitete Neuauflage 2004
    Frauen in vergleichbaren Positionen wie ich – also mit technischen
oder naturwissenschaftlichen Professuren – kommen heute häufig
aus den neuen Bundesländern. Das liegt daran, dass es in der
DDR normal war, dass Frauen arbeiten und auch in traditionellen
Männerdomänen. Noch dazu kommt, dass der Schutz der Familie
in der BRD an erster Stelle steht. Mit Blick auf das Steuerrecht ist es
vom Staat ja regelrecht gewollt, dass Frauen nicht arbeiten. In der
DDR war die Gleichberechtigung auf keinen Fall perfekt, aber es
|200|
war auch viel einfacher, zu arbeiten, weil wir eine hervorragende
Kinderbetreuung hatten. Die Fragen, die sich Frauen heute stellen,
wenn sie berufstätig sind – wohin mit meinem Kind? –, gab es damals
nicht.
     
    Kerstin Thurow (Jahrgang 1969), Univ.-Professor Life Science Automation – Director of the Institute of Automation der Universität
     Rostock im Interview vom 8. August 2000, »Deutschlands jüngste Professorin zur Chancengleichheit von Frauen« mit ›Bildung
     PLUS‹, dem Online Portal zum Thema Bildungsreform in Deutschland
    Die altbundesdeutsche Gesellschaft ist weit mehr vom Geist des deutschen Berufsbeamten geprägt, als sie sich eingestehen mag.
     In den zurückliegenden zweieinhalb Jahrhunderten konnte sich auf deutschem Boden keine Berufsgruppe so sorglos reproduzieren
     wie die Berufsbeamten. Im Dienstrecht des Berufsstandes ist die Ehegattin immer noch ein Versorgungsfall: Sie gebärt die Kinder,
     entlastet den Staatsdiener von zeitaufwendigen Erziehungsaufgaben und schmiert der Familie die Frühstücksstullen. Während
     der Berufsalltag von Familien, die ihren Lebensunterhalt in der gewerblichen Wirtschaft verdienen müssen, von der Sorge ums
     tägliche Brot und von der schwierigen

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