Abbey Road Murder Song
Neuigkeiten. Ich wäre gerne zur Beerdigung gekommen, wenn Sie’s mir gesagt hätten.«
»Tut mir leid. Ich hätte Sie längst anrufen sollen.«
»Ich verstehe das natürlich. Sie hatten sicher alles Mögliche zu tun.«
Es klang nach einem Vorwurf.
»Aber er war ein toller Mann. Wirklich sehr geachtet.« John Nolan zog die Schublade eines Aktenschranks auf und nahm eine Flasche Bells und zwei Gläser heraus.
»War er das?«
»Natürlich, wo er doch so viel für uns getan hat.«
»Was meinen Sie?«
Ryan bot ihm eine Zigarette an. »Ihr Vater hat mir meinen allerersten Job hier in England verschafft. Er hat sehr vielen von uns den ersten Job verschafft. Jahrelang habe ich ihn nicht gesehen. Ich wünschte, ich hätte Kontakt zu ihm gehalten, aber als er in Rente ging, war er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.« Der Mann wirkte jetzt verlegen; er fingerte an einem gelben Bleistift herum, nahm ihn von einer Hand in die andere. »Und gebildet war er. Er konnte aus sämtlichen Werken Shakespeares zitieren, wissen Sie das?«
»Ja, das weiß ich.«
Er schenkte zwei Gläser ein und gab eines davon Breen, dann hob er seins feierlich. »Auf Tomas Breen. Ein toller Mann«, sagte er und stieß mit Breen an, dann kippte er den Whiskey in einem Zug herunter.
Breen tat es ihm gleich, der Alkohol brannte in seiner Kehle.
»Ich komme selbst auch aus Kerry. Für Männer wie mich, die neu hier waren, war es eine große Erleichterung, auf einen Iren zu treffen, der sich auskannte. Er hat uns unter seine Fittiche genommen, sich um uns gekümmert. Alle wussten, wer Tomas Breen war. Es gibt keinen Vorarbeiter in London, der nicht voller Respekt von ihm spricht.«
Zu Hause hatte sich Breens Vater eher abschätzig über die Iren geäußert, mit denen er zusammengearbeitet hatte. Sie strömten scharenweise von den Fähren, waren verzweifelt und ungebildet, und träumten davon, ein Vermögen zu verdienen und nach Hause zu schicken. Auf demBau wurden sie schlecht behandelt, bekamen jede Menge Bier, aber nur einen Hungerlohn. Die Engländer hassten sie und stellten Schilder in die Fenster ihrer Kneipen und Geschäfte: »Keine Iren, keine Schwarzen, keine Hunde.« Sein Vater hatte sie »Dämliche Torffresser« genannt, aber Breen war nie ganz sicher, ob er seinem Sohn damit nicht einfach nur die handwerklichen Berufe hatte vermiesen wollen. Sein Vater hatte seinen Cathal als Arzt gesehen, als Wissenschaftler oder Akademiker.
»Der Verlust schmerzt sicher sehr.«
»Ja, allerdings«, sagte Breen.
»Er muss stolz auf Sie gewesen sein«, meinte der Vorarbeiter. »Weil Sie Polizist geworden sind.«
»Sollte man meinen«, sagte Breen.
Der Mann sah aus wie um die fünfzig, seine Haut war gebräunt von der Arbeit im Freien. »Das war er, da bin ich sicher. Er hat Sie alleine großgezogen, stimmt’s? Wirklich bemerkenswert.«
»Das hat er. Meine Mutter starb, als ich noch ganz klein war.«
»Ja, das wussten wir, aber er hat nicht viel darüber gesprochen. Muss ein schrecklicher Verlust für ihn gewesen sein. Und dann war er ja auch zu stolz, um sich von der Kirche helfen zu lassen.«
Irgendwo draußen begann eine Ramme regelmäßig zu hämmern.
»Mein Vater hat nicht viel von der Kirche gehalten.«
»Nein, wirklich nicht«, sagte der Vorarbeiter. »Aber ich bin sicher, der heilige Petrus wird es ihm verzeihen. Er hatte ja auch gute Gründe.«
»Was meinen Sie?«
Jetzt wurde der Mann vorsichtig. »Nach dem, was ihm und Ihrer Mutter widerfahren ist.«
Breen runzelte die Stirn. »Was ist ihnen denn widerfahren?«
Der Mann hielt inne. Er nahm die Gläser und stellte sie ungespült in den Schrank zurück. »Ist nicht so wichtig. Sie sagten am Telefon, Sie wollten die Identität eines Mannes klären?«
Breen nahm sein Notizbuch. Nolan ging an einen grauen Aktenschrank und zog ein Blatt Papier heraus, überreichte es Breen.
»Das ist ein Standardformular. Als Vorarbeiter füllt man jede Woche eins aus. Freitags ist Zahltag.«
Breen sah den Namen oben auf dem Blatt. Patrick Donahoe. Das Formular bestand aus einer Tabelle mit sieben Spalten, für jeden Wochentag eine. Es war auf den 2. 10. 1968 datiert. Die beiden Kästchen für Montag und Dienstag waren jeweils mit einem Häkchen versehen, aber alle anderen waren frei.
»Ich habe mich wie versprochen umgehört. Die Welt ist klein. Nach zwei Jahren in London kennt man jeden auf dem Bau. Das ist der Name, den ich gefunden habe.«
»Wo hat er gearbeitet?«
»Paddington. Nicht
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