Abbey Road Murder Song
Zettelstapel mit Nachrichten für die Frauen, die Breen dafür bezahlt hatte, sich um seinen Dad zu kümmern, wenn er bei der Arbeit war. Das Gästebett der Krankenschwester, zusammengeklappt in einer Zimmerecke. Daneben Kabelsalat, der zu einer einzigen Steckdose führte, die Musiktruhe, zwei Stehlampen, den elektrischen Wecker und den Fernseher mit Strom versorgte.
Sein Vater hatte die letzten sechs Jahre seines Lebens in diesem Zimmer verbracht, aber gefallen hatte es ihm nie. Vorher hatte er alleine in Fulham gelebt, bis zu dem Tag, an dem er eine Pfanne mit Würstchen auf dem Herd vergessen und die Küche in Brand gesetzt hatte. Breen war aus seiner Dienstwohnung in der Mare Street ausgezogen und hatte diese Wohnung hier gemietet. Sie verfügte über ein Extrazimmer, das sein Vater so lange nutzen sollte, bis es ihm wieder gut genug ging, um alleine zu wohnen. Doch dazu kam es nicht mehr.
Es schien Breen zu früh, die Sachen seines Vaters wegzuräumen. Noch lagen sie überall in der Wohnung herum; Fotos und Bücher, Platten von italienischen Tenören, Gedichtbände und Romane sowie eine ganze Sammlung Gehstöcke – und auch der Ledersessel, in dem Breen jetzt saß.
Normalerweise kochte er gerne für sich. Seitdem er zehn oder elf Jahre alt war, hatte Breen das Kochen für sich und seinen Vater übernommen. Heute Abend aber machte er sich einfach nur eine Dose Bohnen warm. Er wollte sich eine Scheibe Brot dazu abschneiden, aber der Laib im Brotkasten hatte schon grünen Schimmel angesetzt.
Er aß die Bohnen ohne was dazu und sah sich die Übertragung der Olympischen Spiele im Fernsehen an. Ein Mädchen aus der UdSSR machte begleitet von schmetternder Klaviermusik ihre Bodenturnübungen, sie warauf unheimliche, sowjetische Art schön – dann fiel der Strom aus. Das Fernsehbild schrumpfte zu einer schmalen Linie, dann auf einen einzigen Punkt zusammen, der schließlich im Schwarz des Monitors verschwand.
Breen saß eine Minute da, seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Die Straßengeräusche nahm er jetzt lauter wahr. Als er wieder undeutliche Umrisse erkennen konnte, stand er auf und tastete nach dem Stromzähler neben der Tür. Normalerweise ließ er einen Stapel Half-Crowns oben drauf liegen, aber sie waren alle verbraucht. Er kramte in seiner Tasche, warf eine in den Schlitz und legte den Schalter um. Sofort erwachte der Fernseher zu neuem Leben, eine Breen nicht bekannte Nationalhymne dröhnte laut.
Nachdem er den Teller gespült und aufs Abtropfgitter gestellt hatte, rauchte er seine fünfte und letzte Zigarette des Tages, dann zog er seinen Schlafanzug an und ging völlig erledigt ins Bett.
Im Sitzen blätterte er noch einmal seine Notizbücher durch, das eine für den toten Mann, das andere für das Mädchen. Zu Prosser und den Ereignissen der vorangegangenen Nacht hatte er noch kaum etwas aufgeschrieben. Während er versuchte, sich zu erinnern, was er mit »nach den Türen erkundigen« gemeint haben könnte, schlief er ein.
Vier Stunden später wachte er auf und konnte nicht mehr schlafen. Er knipste die Nachttischlampe an und blieb noch ein paar Minuten liegen, dann stand er auf und rasierte sich.
Draußen war es dunkel. Die Kingsland High Street war abgesehen von vereinzelt vorbeifahrenden Autos vollkommen ausgestorben, der Gehweg glänzte silbrig vom Regen. Der Spätsommer war direkt in den Winter übergegangen, das bisschen Herbst dazwischen war kaum der Rede wert gewesen.
Er passierte Geschäfte mit heruntergelassenen Holzjalousien, an Bäumen festgekettete Karren, Müllhaufen und hinter verschlossenen Toren knurrende Hunde. Unterhalb des Bürgersteigs gluckerte das Wasser laut in der Abflussrinne.
An Dalston Junction erreichte er Joe’s All Night Bagel Shop. Der Laden hatte rund um die Uhr geöffnet, weil hier die Lastwagenfahrer, die den Ridley Road Market belieferten, und Taxifahrer vor Beginn ihrer Frühschicht noch einen Tee oder Kaffee tranken. Die Fassade des Cafés war knallrot gestrichen. Im Fenster hing ein handgeschriebenes Schild, auf dem stand: »Ohne Bagel ist alles nichts.«
Joe lehnte einen Roman lesend am Tresen und blickte auf, als Breen hereinkam. »Hallo, mein Freund«, sagte er und löffelte, ohne zu fragen, Kaffee in einen Becher. Bei Joe gab es nur Instant. Als Breen Joe vorgeschlagen hatte, er solle sich eine Maschine kaufen, wie es sie in den vornehmen Cafés im Westend gab, hatte Joe geantwortet: »Vielleicht soll ich auch noch eine Skiffle-Band
Weitere Kostenlose Bücher