Abbey Road Murder Song
Jones heute Morgen gesagt hat, die Leiche wurde hier doch bloß abgeworfen, oder? Wer auch immer sie hergebracht hat, kann von überall gekommen sein.«
»Glauben Sie?«
»Ich weiß, das steht mir nicht zu, Sir. Aber …«
»Wenn die Leiche nur abgelegt wurde, warum ausgerechnet hier?«
Tozer legte die Stirn in Falten. »Reiner Zufall, denke ich. Jemand hat einfach irgendeinen Hinterhof gesucht, will ich damit sagen. Es gibt keinen Grund, weshalb wir die Suche auf die Gegend hier beschränken sollten.«
»Tozer? Richtig?«
»Ja, Sir.«
»Sie sind seit einer halben Stunde beim CID …«
»Verzeihung, Sir.« Sie starrte das Lenkrad an.
»Sehen Sie die Schuppen?«
»Ja, Sir.«
»Bis letzten Freitag waren sämtliche Schlösser kaputt. Die Türen standen alle offen. Und zwar über einen Monat lang. Das konnte man schon im Vorbeigehen sehen. Drei Tage vor dem Mord wurden sie repariert. Ich vermute, wer auch immer die Leiche hier abgelegt hat, wollte sie eigentlich für ein paar Stunden oder auch Tage in einem der Schuppen verstecken und später wegschaffen. Das bedeutet, es muss jemand aus der Nachbarschaft gewesen sein, dem aufgefallen war, dass die Türen offenstanden. Als er mit der Leiche herkam, musste der Täter aber feststellen, dass alle Schuppen wieder verschlossen waren …«
»Dann hat er Panik bekommen und die Leiche unter die Matratze gelegt?«
»Ja. Der Mörder könnte also jemand sein, der relativ häufig die Straße hier nutzt. Vermutlich sogar täglich.«
»Verstehe.« Sie nickte und blickte mit neuerwachtem Interesse die Straße rauf und runter.
»Wow. Dann könnte es also jemand hier aus den Häusern gewesen sein?«
»Möglich.«
In dem Moment ging die Tür des viktorianischen Hauses neben den Schuppen auf. Ein großer schwarzer Mann trat in den Eingang, hielt auf der Schwelle inne und blickte die Straße auf und ab. Er war nicht zu übersehen. Im Viertel wohnten kaum Schwarze, außerdem war er auffällig gekleidet, trug eine beigefarbene Nehru-Jacke aus Leinen, deren schmaler Stehkragen an seinem breiten Hals eng anlag. Diese Art von Anzug sah man in den Zeitungen häufig an afrikanischen Staatsoberhäuptern, geschäftlich, aber bewusst unbritisch. Der Mann, der eine lederne Aktentasche in der Hand hielt, blickte auf die Uhr und hielt dann wieder nach etwas Ausschau.
Breen öffnete die Wagentür und rief: »Sir!« Der Schwarze schien ihn zunächst nicht zu hören, vielleicht tat eraber auch nur so. Breen schrie daraufhin noch einmal lauter: »Hallo, Sir.«
Langsam und äußerst bedächtig drehte sich der Mann um. Der Leinenstoff seines Anzugs spannte über der Brust. »Ja?«
»Detective Sergeant Breen. Ich ermittle im Fall des Todes einer jungen Frau, deren Leiche gleich hier gefunden wurde.«
Der Mann blickte zu Breen hinunter. Er lächelte. »Müssen wir uns jetzt sofort darüber unterhalten?«
»Es geht um Mord«, sagte Breen.
Langsam kam ein Taxi angefahren, der Schriftzug »For Hire« strahlte orange von der Leuchtanzeige auf dem Dach, der Fahrer suchte die Hausnummern ab.
»Natürlich«, sagte der Mann nickend. »Aber ich bin spät dran. Können wir nicht einen Termin vereinbaren?« Er sprach mit einem Akzent, wie man ihn nur auf einer englischen Privatschule lernt. »Sagen wir 11 Uhr morgen Vormittag?«
»Eins nach dem anderen«, sagte Tozer und zog den Bleistift aus der Gummischlaufe ihres Notizbuchs. »Wie heißen Sie?« Breen sah sie verwundert an.
»Samuel Ezeoke«, sagte der Mann. »Und Sie?«
»Wie schreibt sich das?«
»E-Z-E-O-K-E. Ausgesprochen Ez-ay-oak-ay. Mein Vorname ist Samuel. S-A-M-U-E-L«, buchstabierte er auch diesen wie für ein Kind.
»Darf ich um die Adresse Ihres Arbeitgebers bitten?«, fuhr Constable Tozer fort.
»Die Adresse meines Arbeitgebers?«, fragte Ezeoke mit großen Augen.
»Damit er Ihre Angaben bestätigt.«
»Weil ich Afrikaner bin?« Ezeoke griff in seine Jackentasche und zog ein kleines Silberetui heraus, dem er eine Visitenkarte entnahm.
Als sie las, was auf der Karte stand, errötete Tozer.
Wieder im Wagen, nuschelte sie kleinlaut: »Woher soll ich wissen, dass der Kerl Chirurg ist?«
Breen saß auf dem Beifahrersitz und blätterte im Stadtplan. »Was sollte das überhaupt? Fragen stellen gehört nicht zu Ihren Aufgaben.«
»Hab gedacht, ich könnte helfen«, brummte sie.
»Falsch gedacht.« Er sah sie an.
Sie kaute auf ihrer Lippe, wirkte zerknirscht. Von Marilyn einmal abgesehen, war er es nicht gewohnt, mit Frauen zu
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