Abbey Road Murder Song
der Gegend haben alle Gewehre. Und um diese Jahreszeit wird ständig irgendwo auf Schädlinge geballert.«
Der Rasen hatte sich mit Wasser vollgesogen. Auf einer Seite hatte der Wind einen Laubhaufen zusammengeweht. »Was glauben Sie, wohin sie verschwunden ist?«
»Vielleicht nach London, um ihre tote Tochter zu sehen. Ich hab ihr gesagt, dass die Leiche im University College liegt.«
»Sind Sie sicher, dass sie ihn umgebracht hat?«
»Sicher ist gar nichts.«
Breen sah in sein Notizbuch und las vor, was er geschrieben hatte. »Vorhänge zugezogen. Tasse Tee. Ginflasche im Papierkorb. Gordons. Zwei leere Weinflaschen. Beaujolais. M mit Kaliber 12 aus weniger als einem halben Meter Entfernung erschossen. Zweiter Lauf für den Hund? Neuer Wagen? Beruflich? Geld?«
»Vielleicht sollte ich Sie einfach wieder mit nach Hause nehmen«, sagte Tozer.
Sie gingen noch einmal ums Haus und kehrten dann zum Eingang zurück. In der Diele telefonierte jetzt ein anderer Polizist.
»Einmal Käse und Zwiebeln, einmal Schinken, zweimal Schinken und Käse, einmal Speck. Auf dem mit Speck Tomatenketchup. Habt ihr auch Fleischpasteten? Egal. Chips? Wie viel macht das? Sie wollen mich veräppeln. Ich dachte, bei euch gibt’s Polizeirabatt … Ja, klingt schon besser.«
Breen spähte ins Wohnzimmer. Noch immer ein heilloses Durcheinander. Die Schreibtischschubladen standen offen und auf dem Boden lagen Papiere. Er vermutete, sie hatten Unterlagen mit dem Autokennzeichen gesucht. Falls sie noch im Wagen war, würden sie eine Beschreibung an die Kollegen in den benachbarten Grafschaften durchgeben müssen. Als der Constable mit seiner Essensbestellung fertig war, rief Breen endlich Marilyn an. »Sag Jones, er soll jemanden ins Leichenschauhaus im University College stellen. Vielleicht ist sie dorthin unterwegs.«
Draußen ertönte eine Sirene. Der Constable, der das Essen bestellt hatte, fuhr los, um die Sandwiches abzuholen.
»Jiie-ha«, machte ein schlaksiger Polizist, der im Wohnzimmer eine Zigarette rauchte. »Hast du dir auch was bestellt, Kleines?«, fragte er Tozer.
Sie schüttelte den Kopf. »Mich hat keiner gefragt.«
»Darfst mal bei mir beißen.«
»Lieber verhungere ich.«
Breen ging in die Hocke und sah die Papiere durch, die auf dem Boden gelandet waren.
»Charmant. Was machst du später noch?«
»Nichts mit dir.«
»Lass die blöde Kuh in Ruhe«, sagte einer der älteren Polizisten.
»Eigentlich vergesse ich keine Gesichter, aber in deinem Fall will ich mal eine Ausnahme machen.«
Tozer schnaubte.
Breen kniete jetzt auf dem Boden und blätterte einen Stapel Rechnungen durch. Ein Lebensmittelhändler aus dem Ort hatte geschrieben: »Kein Kredit mehr, bis diese Rechnung beglichen ist!!!!« Auf einem Zettel von einer Autowerkstatt stand: »Letzte Mahnung.« Ein Kontoauszug der Coutts Bank verriet, dass am 16. August noch 662 Pfund, 14 Shilling und 6 Pence auf dem Konto der Sullivans gewesen waren.
Breen ging auf die Bücherregale zu. Weitere Austen-Bände. Ein altes abgegriffenes Lateinlehrbuch. Außerdem The Strange Death of Liberal England von George Dangerfield. Ihm fielen noch ein paar weitere Titel ins Auge, dann entdeckte er ein ledergebundenes Fotoalbum.
Er setzte sich damit aufs Sofa und blätterte darin. Auf den ersten Seiten waren zahlreiche Fotos von Julia. Aber keine Schnappschüsse, sondern teure Studioaufnahmen, vermutlich aus ihrer Model-Zeit, und sie war darauf lachend oder mit Zigarette zu sehen. Als junge Frau war sie sehr schön gewesen.
Dann kamen amateurhaftere Aufnahmen. Sie zeigten eine Gruppe von Freunden, ausgelassen und frech, die sich bei Picknicks oder auf Partys in die wildesten Posen warfen. Breen kannte diese Typen, aus dem Krieg zurückgekehrte Männer, die nie wieder ins Alltagsleben zurückgefunden hatten. Männer, die tranken und Motorrad fuhren. Frauen, die deren raue Art attraktiv fanden. Auf einem Bild war Julia auf einer Kostümparty in einem gewagt knappen Bikini zu sehen, in einer Hand hatte sie ein Schwert in der anderen ein Tablett mit einem Pappmachee-Kopf. War sie Salome? Auf einem anderen stand eine Frau an einer Staffelei vor einem Haus und malte ein Porträt von Julia. Dann ein Bild von einem Mann, der auf einer Veranda saß und Gitarre spielte. Ein weiteres zeigte möglicherweise denselben Mann, nur in Unterhose an einer Schreibmaschine.
Breen erkannte, dass viele der Fotos anscheinend in demselben Gebäude entstanden waren, einer Art Berghütte mitten im
Weitere Kostenlose Bücher