Abbild des Todes

erfuhr, dass du meine Tochter geheiratet hast, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, alles über dich herauszufinden.” Er lehnte sich vor. “Ich weiß, dass du eine schwierige Kindheit hattest, dass du von Heim zu Heim gereicht wurdest und verschiedentlich mit dem Gesetz in Konflikt geraten bist, bevor die Vaughns dich adoptiert und zu einem anständigen Menschen erzogen haben.”
    “Nun, ich glaube, ich bin beeindruckt. Aber genug von mir. Ich verlange einen Beweis dafür, dass Sie der sind, der Sie zu sein vorgeben.”
    “Bevor ich dir den geben kann, musst
du
mir dein Wort geben, dass du alles, was ich dir erzähle, strikt vertraulich behandelst. Wenn irgendjemand herausfindet, dass ich noch lebe, werde ich das nicht mehr lange tun. Und Zoe auch nicht.”
    “Warum Zoe?”
    “Das erkläre ich später. Gibst du mir dein Wort?”
    “Ich werde es Zoe erzählen müssen. Daran führt kein Weg vorbei. Und bitten Sie mich nicht, sie anzulügen, weil ich das nicht tun werde.”
    “Nein, ich weiß, das würdest du nicht tun.” Dougherty nickte zögernd. “Okay, tu, was du nicht lassen kannst.”
    Nichts hätte Rick auf die unglaubliche Geschichte vorbereiten können, die er nun zu hören bekam. Wenn Ray nicht so glaubwürdig gewesen wäre, hätte Rick schon längst die Polizei gerufen. Aber die Einzelheiten aus Zoes Leben in den vergangenen Jahren waren so eindeutig und die Daten verschiedener Ereignisse so präsent, dass Rick keine andere Möglichkeit hatte, als dem Mann zu glauben.
    “Also, wie soll ich Sie nun nennen?”, fragte Rick am Ende der Geschichte. “Ray oder Tony?”
    “Sag Du und Ray. Tony ist tot, und das muss er auch bleiben.”
    Rick schwieg für einen Moment. “Glaubst du wirklich, dass du herausfinden kannst, wer es auf Zoe abgesehen hat?”
    “Ich kann es versuchen. Es kann nicht so viele erstklassige Schützen in New York geben.”
    “Der Typ hat auf einer mit Autos und Fußgängern bevölkerten Straße nichts und niemanden getroffen. Wieso denkst du, dass er ein erstklassiger Schütze ist?”
    “Eben weil er
nicht
getroffen hat. Ein schlechter oder auch durchschnittlicher Schütze hätte irgendwen oder irgendwas getroffen. Die Tatsache, dass das nicht passiert ist, sagt mir, dass der Kerl es mit Absicht gemacht hat.”
    “Und das Motiv?” Insgeheim ahnte er, was das Motiv war.
    “Ich weiß, dass Zoe in die Ermittlungen um eine verschwundene oder vielleicht sogar tote Frau verwickelt ist. Deine Sängerin Lola Malone.” Ray nahm einen Schluck Bier. “Vielleicht ist mein kleines Mädchen der Wahrheit zu nahe gekommen, und wer auch immer den Schuss abgefeuert hat, ein angeheuerter Schütze oder der Mörder selbst, wollte sie so ängstigen, dass sie sich von der Sache zurückzieht.”
    Rick schüttelte den Kopf. “Das ist eine gute Theorie, aber sie hält der Wirklichkeit nicht stand. Warum sollte er sie erschrecken? Warum hat er sie nicht gleich getötet?”
    “Gute Frage. Eine, die ich auf jeden Fall stellen werde.”
    “Wie kann ich dir helfen?”
    “Beschütze Zoe.”
    Rick lachte. “Das ist leichter gesagt als getan.”
    “Ist sie so stur?”
    “Wenn man es milde ausdrücken will …”
    Die nächste Frage kam so schnell, dass Rick nicht darauf vorbereitet war. “Liebst du sie immer noch?”
    Rick verschluckte sich fast an seinem Bier. Wie zum Teufel sollte er das beantworten? Das war keine einfache Ja-oder-Nein-Frage. Es war viel komplizierter. So kompliziert wie Zoe selbst.
    “Ich glaube, ja”, sagte Ray. “Ein Mann lässt sich nicht derart in die Angelegenheiten seiner Exfrau verwickeln, wie du es tust, wenn er nicht noch starke Gefühle für sie hat. Habe ich recht?”
    Rick zuckte die Schultern, was Ray zu einem Lächeln veranlasste. “Ich nehme das mal als Ja. Was mich gleich zu meiner nächsten Frage bringt: Warum hast du sie gehen lassen?”
    “Weil wir uns gegenseitig verrückt gemacht haben. Wir dachten, dass es reicht, wenn wir uns lieben, aber am Ende haben uns die ganzen Streitigkeiten zermürbt.”
    “Verheiratet zu sein ist harte Arbeit, mein Junge. Jeder, der sich darauf einlässt und denkt, es wäre ein Spaziergang, liegt völlig falsch.” Er beobachtete Rick genau. “Meinst du, dass es nun, da ihr beide älter, erwachsener seid, anders wäre?”
    “Falls du fragst, ob ich noch eine Chance sehe, dass Zoe und ich wieder zusammenkommen, muss ich dir ehrlich antworten: Ich weiß es nicht. Es hat sich einiges geändert. Zuallererst einmal habe ich