Abbild des Todes
einfach.”
“Vielleicht solltest du dich erst einmal setzen.”
“Ich bin kein zerbrechliches Püppchen, das bei der erstbesten Gelegenheit in Ohnmacht fällt …”
“Der Mann ist dein Vater.”
Sie wusste nicht, welches Gefühl als Erstes kam – der Schock oder die Wut auf Rick, weil er so etwas Dummes gesagt hatte. “Hast du den Verstand verloren?”
“Ich wollte es zuerst auch nicht glauben, aber nachdem Ray, so nennt er sich mittlerweile, angefangen hat zu erzählen, wusste ich, dass er die Wahrheit sagt. Er weiß alles über dich, Zoe – alles, was du gemacht hast, seitdem du von Philadelphia nach New York gezogen bist.”
“Stalker tun so etwas. Sie finden alles über ihr Opfer heraus.”
“Er ist kein Stalker.”
“Aber er ist ebenso wenig mein Vater! Ich habe dir doch erzählt, dass mein Vater gestorben ist.”
“Er ist nicht tot. Er musste seinen Tod vortäuschen.”
Ricks ernste Miene und der sachliche Ton, in dem er sprach, drangen langsam zu Zoe durch. “Meine Güte, du glaubst ihm tatsächlich. Was für Märchen hat dir dieser Kerl aufgetischt?”
“Es ist kein Märchen. Dein Vater war kein Versicherungsvertreter. Und er ist auch nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als er von einem Kundenbesuch zurückkam. Er hat seinen Tod vorgetäuscht, und das FBI hat ihm dabei geholfen. Dann ist er ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden und hat eine neue Identität angenommen. Das war der einzige Weg, um der Bande, der Mafia, zu entkommen.”
Alle Wärme schien auf einmal aus der Wohnung gewichen zu sein. Instinktiv schlang Zoe ihre Arme um sich, als die Kälte in ihren Magen sackte und sich von da aus in ihrem Körper ausbreitete. Es fiel ihr schwer, dem zu folgen, was Rick ihr erzählte. FBI. Zeugenschutzprogramm. Flucht vor der Mafia. Die Wörter hingen über ihr wie eine dunkle verhängnisvolle Wolke. Sie dachte an den Mann, dessen Foto all die Jahre auf ihrem Nachttisch gestanden hatte. Ein gut aussehender Mann mit vertrauenswürdigen Augen und einem warmen, Sicherheit ausstrahlenden Lächeln.
Verwirrt sank sie in einen Sessel. “Erzähl mir, was er gesagt hat.”
Das tat er, mit einer Zärtlichkeit und einem Feingefühl, an die sie sich später immer wieder erinnern würde. Im Moment jedoch war sie zu überrascht, um etwas anderes als den Schock zu fühlen.
Als Rick geendet hatte, liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie machte sich nicht die Mühe, sie zurückzuhalten. Ihr Vater lebte. Es war ein Traum, den sie nach seinem Tod jahrelang in ihr Nachtgebet eingeschlossen hatte. Drei Jahrzehnte später war dieser Traum plötzlich wahr geworden. Und das Leben, das sie bisher geführt hatte, entpuppte sich als Lüge. Sogar ihr Name, Zoe Foster, ein Name, von dem sie immer gedacht hatte, dass er perfekt zu ihr passte, war eine Lüge.
Tausend Fragen schossen ihr durch den Kopf. Sie versuchte, wenigstens eine oberflächliche Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. “Meine Mutter? Weiß sie es?”
“Niemand weiß es, außer Rays bestem Freund, Lou Agnelli, ein Privatdetektiv, dem FBI und jetzt dir und mir.”
“Wie sieht er aus?”
“Attraktiv, auch wenn er sich einer plastischen Operation unterzogen hat, um sein Aussehen zu verändern, und ich keine Ahnung habe, wie er vorher ausgesehen hat. Aber er sagte, dass du Haare und Sommersprossen von ihm geerbt hast. Seine hat er nicht mehr, und sein Haar ist jetzt braun, mit ein bisschen Grau durchzogen. Aber trotzdem habt ihr große Ähnlichkeit.”
“Wie ist er so – menschlich, meine ich.”
Eine halbe Stunde war natürlich längst nicht ausreichend, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können, doch Rick verfügte über eine außergewöhnliche Menschenkenntnis. “Er ist ein guter Mensch, Zoe. Er hat in seinem Leben eine falsche Entscheidung getroffen, und dafür zahlt er seither.” Er hob mit seinem Zeigefinger ihr Kinn an und zwang sie so, ihn anzuschauen. “Und er liebt dich sehr. Darum ist er nach New York gekommen. Darum hat er dieses große Risiko auf sich genommen.”
Sie schwieg eine ganze Weile, die Beine angezogen, die Arme um die Knie geschlungen. Gedankenverloren starrte sie in dem Wissen aus dem Fenster in die Dunkelheit, dass er da draußen war, alleine, sich vielleicht das Gleiche wünschte, was sie sich wünschte.
Schließlich wandte sie ihren Blick wieder Rick zu, der sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte. “Ich möchte ihn sehen.”
Rick schüttelte den Kopf. “Vergiss
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