Abby Cooper 01 - Detectivin mit 7. Sinn
frage sie über dein Privatleben aus - ohne dass dir das zu Ohren kommt - und beschließe während des Abendessens, dass ich die Schuld nicht länger mit mir herumschleppen und mich über den kleinen Nathaniel auslassen will. Ja, Dutch, das gehörte alles zu meinem meisterhaften Plan!« Nach diesem Wortschwall holte ich erst einmal Luft und starrte ihn empört an.
»Naja, damals kam es mir so vor«, meinte Dutch, der verlegen in sein Schälchen guckte.
»Grrr! Männer!« Ich aß mein Eis weiter.
»Mir fehlte ein bisschen die Zeit, um nachzudenken und eingehender zu ermitteln, Abby. Ich habe Milo erzählt, was du gesagt hattest, und wir gingen damit zu unserem Captain, der sich vom Troy PD die Erlaubnis holte, die Spur zu verfolgen. Während ich mich an die Ermittlung machte, behielt Milo dich im Auge. Wir überprüften als Erstes die Familie der Mutter, und es stellte sich heraus, dass sie einen Bruder hatte, der zufällig mal als Wachmann in dem Einkaufszentrum angestellt war. Die Oakland Mall hat ein zehn Jahre altes Überwachungssystem, darum war die Qualität der Aufnahme so schlecht. Chester Davies wusste das. Dann stellten wir fest, dass er seinen vierjährigen Sohn am Nachmittag der angeblichen Entführung bei sich gehabt hat, und der Kleine sah Nathaniel ziemlich ähnlich. Als wir das Video genauer auswerteten, fiel auf, dass der Junge ein bisschen zu bereitwillig mit dem Mann mitging. Wir haben schließlich die Szene mit der Mutter unter die Lupe genommen, und je länger wir sie uns ansahen, desto mehr kam sie uns wie eine schlechte Schauspielerin vor. Wir überlegten, dass sie ihren Sohn, wenn sie ihn getötet hatte, nicht allzu weit von zu Hause versteckt haben dürfte. Aufgrund deines Hinweises suchten wir unbewohnte Häuser ab. Du hattest auch etwas von Lilien gesagt, und eine der schlimmsten Straßen in Pontiac ist die Lillian Street. Wir brauchten nicht lange zu suchen; es war heiß, wir konnten dem Geruch nachgehen.«
Mit einer Grimasse ließ ich den Löffel in mein Eis sinken und schob das Schälchen von mir weg. Dutch sah, was ich übrig gelassen hatte, und fragte: »Was dagegen, wenn ich das aufesse?«
»Bedien dich«, antwortete ich tonlos.
Er nahm es sich und redete weiter. »Der Leichenbeschauer schätzte, dass der Tod mindestens zwei Tage vor der angeblichen Entführung eingetreten war. Todesursache war eine starke Gehirnblutung, wie sie zum Beispiel durch heftiges Schütteln verursacht werden kann. Tameka Davies war seit Langem für ihr zügelloses Temperament bekannt. Wir vermuten, dass sie Nathaniel unabsichtlich getötet und dann ihren Bruder angerufen und gebeten hat, die Sache zu vertuschen. Sie dachten sich den Entführungsplan aus, um von ihrer Schuld abzulenken, aber auch, um die Sympathiegelder zu kassieren. Sie hatten sofort eine Hotline für Hinweise und ein Sonderkonto für Spenden eingerichtet.«
Mir drehte sich der Magen um. Ich wollte nichts weiter darüber hören und hob abwehrend die Hand. »Hör auf«, flüsterte ich kaum hörbar.
Dutch sah mich an und stellte sein Schälchen hin. »Oh, he, tut mir leid«, sagte er. »Das hat dir wohl ziemlich zugesetzt. Weißt du, ich bin an solche Dinge gewöhnt. Die regen mich gar nicht mehr auf.« Dabei nahm er meine Hand und drückte sie, und die Berührung löste eine ganz andere Empfindung in meiner Magengegend aus.
»Aber mich. Ich bin wirklich froh, dass ich helfen konnte. Aber die Geschichte ist einfach schrecklich. Wie kommt ihr bloß damit zurecht? Wie könnt ihr diese Grausamkeiten mit ansehen und trotzdem die Kraft finden, jeden Morgen aus dem Bett zu steigen?«
Dutch schwieg einen Moment, bevor er antwortete. »Es gibt Tage, wo es wirklich hart ist, Abby. Von manchen Dingen wünsche ich mir, ich hätte sie nie gesehen. Aber ich bin nun mal zur Polizei gegangen und habe mich dafür entschieden, weil ich glaubte, etwas ändern zu können. Das ist alles, schlicht und einfach - ich wollte etwas ändern. Das will ich auch jetzt noch.«
Ich blickte in seine magischen blauen Augen. Er hatte mir gerade seine verletzliche Seite gezeigt. Spontan beugte ich mich zu ihm rüber und küsste ihn. Er war überrascht, stieg aber darauf ein, und ich schmolz dahin, als der Kuss leidenschaftlicher wurde. Ein lautes Zirpen unterbrach uns.
Dutch zog sofort sein Handy vom Gürtel, drückte auf den Knopf und schnauzte: »Rivers.«
Er hörte kurz zu, dann: »Auf der Maplelawn. Verstanden. Bin gleich da.«
Er wandte sich mir lächelnd zu.
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