Abby Cooper 01 - Detectivin mit 7. Sinn
des Eindringlings. Dieselbe Bösartigkeit wie neulich hing in der Luft. Mit weichen Knien folgte ich ihr wie einem Duft durch das Wartezimmer und ins Büro. Ich schaute über meinen Schreibtisch, fand aber alles unverändert. Maggie beobachtete mein erschrockenes Gesicht genau und war selbst ganz beunruhigt.
»Abby?«, fragte sie. »Was ist los?«
Ich sah auf, und plötzlich fiel mir ein, dass ich ihr noch gar nichts von der ganzen Geschichte erzählte hatte. Was, wenn mein Verfolger sie mit mir verwechselt hatte? Ich musterte sie. Maggie war groß, hatte kurze, wellige kastanienbraune Haare und strahlend blaue Augen. Wir sahen einander gar nicht ähnlich. Andererseits wusste ich natürlich nicht, ob Allisons Mörder mich überhaupt vom Ansehen kannte. Ich seufzte erleichtert auf, weil Maggie nichts passiert war.
»Hör zu«, begann ich und setzte mich hinter den Schreibtisch. »Nimm dir bitte einen Stuhl, denn ich muss dir etwas erzählen, das ein bisschen beängstigend ist. Wir müssen von jetzt an sehr wachsam sein, wenn wir hier sind.« Maggie setzte sich augenblicklich. Ich hatte ihre volle Aufmerksamkeit. Ich erzählte ihr alles, was seit dem Mord an Allison Pierce passiert war, und konnte Zusehen, wie die Angst in ihren Augen wuchs.
»Was sollen wir tun?«, fragte sie leise.
»Zuerst einmal müssen wir genau aufpassen, wen wir hereinlassen. Wenn möglich, nimm nur Patienten an, die du schon kennst, keine neuen. Wir sollten immer abschließen und vorsichtig sein, wenn wir zum Mittagessen rausgehen. Abends solltest du dich von Stu zum Wagen begleiten lassen. Ich werde die Hausverwalterin anrufen und das absprechen.«
Maggie starrte mich an und nickte. »Was glaubst du, warum einer hinter dir her ist?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber vermutlich denkt der Kerl, dass ich mehr weiß, als tatsächlich der Fall ist. Zum Beispiel, dass ich ihn identifizieren könnte.«
»Kannst du?«
»Keine Ahnung. So etwas habe ich noch nie versucht, das ist völliges Neuland für mich. Ich hoffe ja, dass er es weiter probiert und wir ihn irgendwann schnappen.«
»Du meinst, bevor er dich erwischt«, ergänzte sie, was ich im Stillen gedacht hatte. Ich lächelte sie tapfer an und zuckte die Achseln. Sie starrte auf ihre Schuhe und stellte eine Frage, die uns wohl beide beschäftigte: »Glaubst du, er war hier drin?«
Ich sah sie an und hatte ganz sicher die gleichen erschrockenen Augen wie sie. »Tja also, wenn er es nicht war, dann jedenfalls niemand, den ich gern Wiedersehen würde.«
»Oh«, sagte sie und hätte bestimmt gern eine andere Antwort gehört. »Weißt du was? Ich werde alle Termine der kommenden Woche absagen. Ich bin reif für die Insel, und das scheint mir genau der richtige Zeitpunkt für einen Urlaub zu sein. Was meinst du?«
»Ich glaube, das ist eine gute Idee, Maggie.«
Später, nachdem meine letzte Klientin gegangen war, setzte ich mich ins Büro, um einige Anrufe zu erledigen und Termine zu vereinbaren. Mein erster Anruf galt Yvonne. Ich wollte sie nicht in Alarmzustand versetzen, hielt es aber für angemessen, wenn Stu auf diesen Teil des Hauses ein besonderes Auge haben würde.
»Hallo, Yvonne«, sagte ich, als sie abnahm.
»Abby, rufen Sie wegen meines Termins an?«
Den hatte ich glatt vergessen, schaltete aber schnell. »Klar, ich schaue noch mal schnell ins Buch.« Als ich danach griff, stutzte ich. Ich lasse es immer offen liegen, aufgeschlagen beim aktuellen Datum und auf der oberen linken Schreibtischecke, damit ich mich zwischendurch schnell orientieren kann. Nun lag es zugeklappt an der rechten Ecke. Ich dachte zurück und überlegte, wann ich das gedankenverloren getan haben könnte. Mir kam keine Erinnerung, dafür aber die gute, alte Gänsehaut.
»Abby? Sind Sie noch dran?«, fragte Yvonne.
»Äh, ja ...«, sagte ich hastig. Ich schlug das Buch auf und trug sie beim nächsten freien Termin im November ein. Dann erfand ich eine Geschichte über einen Klienten, der sich ein bisschen unberechenbar verhielt und mir Ärger machte. Ich fragte, ob Stu ein Auge auf unseren Flügel haben könnte.
»Natürlich, Abby. Ich sag ihm Bescheid, wenn er heute Abend kommt. Wie sieht dieser Klient denn aus?«
Ich dachte daran zurück, wie ich in Allisons Haus gestanden hatte, und antwortete ohne Zögern: »Er ist nicht besonders groß, hat dunkelbraune Haare und braune Augen. Er trägt gern Klamotten, die ihm zu groß sind.«
»Ich gebe das an Stu weiter.«
»Danke, Yvonne.« Wir legten auf.
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