Abby Cooper 03 - Hilferuf aus dem Jenseits
Jackentasche, wo ich den Beutel mit den Diamanten versteckt hatte. Ich hatte sie glatt vergessen. Sie lächelte mich dankbar an und verschwand vor meinen Augen. Einen Moment lang stand ich mit offenem Mund da, unsicher, was ich gesehen und was ich mir eingebildet hatte.
»Abby?«, rief Dutch aus dem Keller. »Kommst du mit dem Wasser?«
Ich schüttelte das Bild ab und beeilte mich, ein Glas zu füllen. Die Erscheinung war jetzt unwichtig. Als ich wieder unten war, kam James gerade zu sich. Seine Hände waren inzwischen frei, und Dutch schob ihm seinen zusammengerollten Mantel unter den Kopf. Ich reichte ihm das Wasser. James nahm es gierig und trank mit zitternden Händen.
Er gab mir das geleerte Glas zurück. Ich füllte es erneut an dem Wasserhahn des Beckens über ihm. Das zweite Glas leerte er nicht ganz. In der Feme hörten wir die Sirenen der Polizei, die zu uns unterwegs war.
»Halten Sie durch, mein Freund. Hilfe ist unterwegs.«
James lächelte ihn an und nickte, dann wurde er wieder bewusstlos.
Ein paar Minuten später traf die Kavallerie ein, und James wurde ins Beaumont Hospital gebracht. Dutch, Milo und ich fuhren hinter dem Notarztwagen her und blieben dann im Warteraum, solange James ärztlich versorgt wurde.
Hinter meinem Rücken brachte Dutch einen Arzt dazu, einen Blick auf meinen gequetschten Kehlkopf zu werfen. Er gab mir denselben Rat wie der vorige Kollege, sodass ich nur fünfzig Dollar für die verschwendete Zeit zu bezahlen brauchte.
»Du schuldest mir fünfzig Mäuse«, flüsterte ich Dutch zu, als ich aus der Untersuchungskabine entlassen wurde und mich muffelig neben ihn auf den Stuhl sinken ließ.
»Sagen wir, wir sind quitt wegen heute Morgen, wo du dich einfach davongeschlichen hast«, erwiderte er bloß.
Ich beschloss, dankbar zu sein und den Mund zu halten, ln dem Moment kam James’ Arzt und sagte, dass wir jetzt zu ihm dürften. »Er ist schwach. Halten Sie sich also nicht lange auf. Nehmen Sie eine kurze Aussage auf, und lassen Sie ihn dann schlafen, klar?«, sagte der Doktor mahnend.
»Alles klar«, sagte Dutch, und wir betraten das Krankenzimmer.
James lag mit schmerzverzerrter Miene und verbundenen Handgelenken von mehreren Kissen gestützt da. Ich winkte mit den Fingern, als wir alle drei an seinem Bett standen, und er lächelte mich schwach an. Dann sah er die Würgemale an meinem Hals.
»Hat mein Bruder das getan?«, fragte er bedrückt. Ich nickte. »Das tut mir schrecklich leid«, sagte er.
Ich zuckte die Achseln und deutete auf meinen Kehlkopf. »Darf nicht viel reden«, flüsterte ich.
»Verstehe«, sagte er und an Dutch und Milo gewandt: »Sie möchten sicher wissen, was passiert ist.«
Milo nickte. »Ja, und zwar von 1940 an, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
James war nicht allzu überrascht und begann seufzend zu erzählen. »Mein Großvater war ein schlechter Mensch.«
»Das haben wir schon festgestellt«, sagte Dutch.
»Als ich noch ein Junge war, bewunderte ich ihn. Ich dachte, er wäre ein Held. Aber als ich sechzehn war, kam er eines Tages betrunken nach Hause. Er setzte sich zu mir und erzählte mir Dinge, die ich am liebsten gar nicht erfahren hätte. Er sei im französischen Widerstand aktiv gewesen und habe Tausende Menschenleben gerettet. Ein paar habe er freilich ausliefern müssen, damit die anderen weiterleben konnten, aber was soll’s, meinte er. Und dann schilderte er, wie er an seinen Warenbestand für das Juweliergeschäft gekommen war, wie er sich als Freund der Juden ausgab und vielen half, sodass er als vertrauenswürdig galt. Bei den jüdischen Diamantenhändlern verhielt er sich jedoch anders. Anstatt sie zu retten, bestahl er sie und lieferte sie an die Nazis aus. Als ich begriff, dass er sein Geschäft durch die Morde an Juden aufgebaut hatte, zog ich zu Hause aus. Mein Bruder verzieh mir das nie.« James schwieg kurz und massierte sich ein Handgelenk.
»Darum haben Sie sich auf Opale spezialisiert«, flüsterte ich.
Er lächelte mich gequält an. »Ja. Das war der einzige Edelstein, mit dem mein Großvater nicht gehandelt hatte. Er glaubte, Opale brächten Unglück. Als er starb und mir den Laden hinterließ, überlegte ich, das ganze Inventar zu spenden. Doch was er getan hatte, fand ich so entsetzlich, dass ich das Bedürfnis hatte, um meiner Familie willen Wiedergutmachung zu leisten. Mein Vater war ein guter Mensch, und wenn er die Wahrheit erfahren hätte, hätte er bestimmt dasselbe getan. Darum fing ich mit
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