Abby Cooper 03 - Hilferuf aus dem Jenseits
»Ja. Haben Sie ihn zufällig gekannt?«
»Aber natürlich«, sagte sie und goss sich auch einen Tee ein. »Jeder hat ihn gekannt.«
Ich fing Dutchs Blick auf und zwinkerte, dann wandte ich mich wieder unserer Gastgeberin zu. »Was können Sie uns über ihn erzählen?«
»Nun«, begann sie, lehnte sich in ihre Couch zurück und hob einen Finger ans Kinn, während sie ihr Gedächtnis bemühte. »Zunächst einmal war er, wie soll ich sagen ... eine Drecksau.«
Dutch verschluckte sich an seinem Tee und fing fürchterlich an zu husten. Madame Dubois und ich sahen ihn abwartend an.
»Verzeihung«, sagte er mit hochrotem Kopf. »Falsche Röhre.«
Ich schoss ihm einen warnenden Blick zu. »Was sagten Sie gerade?«, fragte ich Madame Dubois.
Sie musterte Dutch neugierig, während er sich mit der Faust an die Brust klopfte, dann erklärte sie: »Er war ein Scheißkerl.«
»Ach so«, meinte ich und drängte das aufsteigende Lachen zurück. »Warum?«
»Nun, erstens war er ein Dieb.«
»Ein Dieb?«
»Ja. In der französischen Gemeinde hier war es allseits bekannt, dass man nicht zu ihm gehen sollte, wenn man seinen Diamantschmuck reinigen lassen wollte. Meine liebe Freundin Anna-Marie brachte eine Brosche mit 1,6 Karat zu ihm. Jean-Paul tauschte die Diamanten mir nichts, dir nichts aus.«
»Hat sie ihn denn nicht angezeigt?«, fragte ich.
»Oh, mais oui, das tat sie. Sie konnte aber nicht beweisen, dass die Diamanten ausgetauscht worden waren, weil sie weder ein Foto noch die Rechnung vom Kauf hatte. Die Brosche war seit Generationen in ihrer Familie. So kam Jean-Paul ungeschoren davon.«
»Abgesehen von Diebstählen, war er auch noch in anderer Hinsicht unehrlich?«, fragte Dutch.
»Aber natürlich.« Sie trank einen Schluck Tee und biss in einen Keks, bevor sie es ausführte. »Er hat reihenweise Herzen gebrochen.«
»Er war ein Verführer«, schloss ich.
»Ganz recht. Nach dem Tod seiner Frau hatte er einen ganzen Strauß von Freundinnen. Aber dann blieb er mit einer fast zwanzig Jahre zusammen, bis er starb.«
»Bis er starb?«, fragte ich nach.
»Ganz recht. Aber natürlich hat er auch ihr das Herz gebrochen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Er hat sie mit einer viel jüngeren Frau betrogen.«
Meine Intuition summte. Ich stellte meine Teetasse ab und beugte mich etwas zu Madame Dubois vor. »Wissen Sie, wer diese jüngere Frau gewesen ist?«
»Mais non«, sagte sie seufzend. »Ich habe sie ein paarmal gesehen, aber wir wurden einander nicht vorgestellt.«
Dutch hatte sich unwillkürlich auch nach vom geneigt. »Wie hat sie ausgesehen?«
»Sie war hübsch, blond und zierlich, wie eine Puppe, und niemand verstand, was sie an Jean-Paul fand.«
Lisa, dachte ich aufgeregt. Madame Dubois sprach von Lisa!
»Was ist aus ihr geworden?«, fragte ich.
»Je ne sais pas. Eines Tages kehrte er zu Simone zurück.«
»Simone?«
» Oui , die Frau, die ich schon erwähnte. Sie hat sich um ihn gekümmert, bis er starb.«
»Lebt sie noch?«
»Oui. Ja.«
»Wo kann ich sie finden?«, fragte ich und griff nach meiner Handtasche, um einen Kuli und einen Zettel herauszuholen.
»Sie lebt bei ihrer Schwester, zwei Straßen weiter. Ich gebe Ihnen die Adresse, wenn Sie möchten.«
»Ja, bitte!«, bat ich aufgeregt.
Madame Dubois erhob sich von ihrer rosa Couch und rauschte in die Küche. Sowie sie draußen war, sah ich Dutch an und flüsterte: »Bingo!«
Er nickte. »Schreib die Adresse auf, und dann nichts wie weg hier«, flüsterte er zurück.
Ich verkniff mir ein Kichern, als Madame Dubois wieder hereinkam, mit einem rosa Adressbüchlein, das mit Spitze überzogen war.
»Hier habe ich sie«, sagte sie und schlug eine Seite auf. »Simone wohnt 126 Arlmont. Biegen Sie am Stoppschild links ab, die dritte Querstraße ist ihre. Ihr Haus ist das dritte auf der rechten Seite.«
»Merci!«, sagte ich und stand energisch auf, sowie ich die Adresse notiert hatte. »Madame Dubois, herzlichen Dank, dass Sie sich so viel Zeit genommen haben! Wir wollen Ihre Gastfreundschaft nicht überstrapazieren und müssen uns jetzt wirklich auf den Weg machen. Und danke für die wertvollen Auskünfte!«
»Es war mir ein Vergnügen«, sagte sie und strahlte uns an, während wir eilig nach unseren Mänteln griffen. Als ich in die Ärmel fuhr, klingelte Dutchs Handy. Er nickte Madame Dubois kurz zu und huschte zur Tür hinaus. Lächelnd schüttelte ich der niedlichen alten Dame die Hand und folgte meinem Freund nach draußen, wo mir eine
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