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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
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missverstanden zu werden. So saß sie einfach nur neben ihr, ohne etwas zu sagen oder zu tun. Das kam ihr als das Beste vor, was sie tun konnte.
    Die folgenden Minuten hing ein jeder von ihnen seinen eigenen Gedanken nach. Der Wagen rumpelte weiter schwerfällig über die Landstraße. Zwei Frauen, die den vulgären Londoner Gossenslang sprachen, stritten sich lauthals wegen einer Nichtigkeit und gerieten sich im wahrsten Sinne des Wortes in die Haare. Andere Frauen ergriffen die Partei der Streithälse und verschlimmerten die Sache dadurch nur noch. Das Geschrei weckte das Baby, das sich nun mit einem hohen durchdringenden Weinen zu Wort meldete. Das junge irische Mädchen Megan, das nicht weit davon an der Wand zum Kutschbock saß, ließ sich von diesem Tumult nicht in ihrer Andacht stören. Mit leiser, melodischer Stimme betete sie weiter. Ein sanftes Flüstern im groben Stimmenlärm.
    Auch Abby hatte sich schon längst an diese einzigartige Geräuschkulisse gewöhnt. Sie nahm sie wahr, ohne sie jedoch bewusst zu hören.
    »Es ist wirklich gut zu wissen, mit wem man das Fußeisen teilt«, nahm sie nach einer guten Weile Rachels letzten Satz auf.
    »Es bewahrt einen vor unangenehmen Überraschungen«, sagte Rachel trocken.
    Abby hatte den Eindruck, als schwinge eine unausgesprochene Frage in ihrer Erwiderung mit, und sie glaubte zu wissen, welche Frage das war. Doch es bestand kein Grund, irgendetwas zu überstürzen. Sie hatten endlos viel Zeit, dass Eile völlig fehl am Platze war.
    »Was hältst du von Taschendieben?«, fragte sie.
    Rachel blickte sie im Dunkeln spürbar überrascht an. »Hast du fremde Taschen ausgeräumt? Bist du etwa deshalb in Newgate gelandet?«
    »Nein.«
    »Das hätte mich auch gewundert. Den Eindruck hast du nämlich nicht auf mich gemacht.«
    »Welchen dann?«, wollte Abby wissen.
    Rachel zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich. Aber für einen Taschendieb sprichst du irgendwie zu … zu gebildet. Immerhin kannst du lesen und schreiben.«
    »Woher weißt du das?«
    »Vorhin, als wir auf der Wiese saßen, hast du Buchstaben mit einem Stock auf die Erde gemalt. Ich weiß nicht, was es war, denn ich kann weder lesen noch schreiben, aber es war ein langes Wort, und du hast dafür dennoch nicht lange gebraucht.
    Was war es, was du da geschrieben hast?«
    »Verbannung«, sagte Abby, überrascht von Rachels Beobachtungsgabe und Scharfsinn.
    »So, und was hat die Verbannung eines gebildeten Mädchens mit gewöhnlichen Taschendieben zu tun?«
    »Ein Taschendieb hat mich in den Kerker von Newgate gebracht und ein anderer Taschendieb hat mir dort das Leben gerettet«, antwortete Abby und berichtete ihr, was ihr an jenem eisigen Februarmorgen zugestoßen war und wie Frederick ihr Leben in Newgate erträglich gemacht hatte. Sie bemühte sich dabei, genauso sachlich zu erzählen, wie Rachel es vorhin getan hatte, was ihr jedoch nicht immer gelang. Manchmal schlich sich doch Bitterkeit in ihre Stimme.
    Rachel hörte ihr aufmerksam und ohne sie einmal zu unterbrechen zu. Als sie geendet hatte, sagte sie in ihrer nüchternen Art: »Du hast ganz einfach Pech gehabt, Abby. Dieser Edward hätte tausend heilige Eide schwören können, verurteilt hätte dich diese Richterbrut dennoch. Das hat sein Freund, dieser Frederick, völlig richtig gesehen. Du kannst keinem einen Vorwurf machen.«
    »Ja, ich weiß«, seufzte Abby. »Wenn ich damals doch bloß nicht so kopflos davongerannt wäre, dann …«
    Schroff fuhr Rachel ihr ins Wort. »Du bist aber, und damit musst du dich abfinden! Wenn und Aber! Wenn ich mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen wäre, wäre bei mir auch vieles anders gelaufen! Oder wenn meine Mutter keine versoffene Schlampe gewesen wäre!« Sie atmete einen Augenblick heftig vor Erregung, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt. Und ruhig fuhr sie fort: »Es taugt nichts, sich mit Dingen zu quälen, die geschehen sind und sich nicht mehr ändern lassen.«
    »Aber ich kann das doch nicht einfach so vergessen, als wäre nichts geschehen!«, wandte Abby aufbegehrend ein.
    »Das habe ich damit auch nicht gesagt. Vergessen sollst du nichts. Aber genauso wenig sollst du dich in der Vergangenheit vergraben und dich immer wieder damit quälen, was gewesen wäre, wenn du dies oder das nur anders gemacht hättest. Nicht einen Winter hätte ich überstanden, wenn ich mich so verhalten hätte!«, sagte Rachel eindringlich. »Damit machst du dich nur selber kaputt und nimmst dir die

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