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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
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schönen Traum, Abby …«
    »Ja?«
    »Ich hab von Jacob geträumt«, sagte Rachel mit verträumter, schläfriger Stimme. »Er saß hier am Bett, wo du jetzt sitzt, Abby. Und er war nicht tot. Er hatte das Grubenunglück überlebt und ist weggelaufen. Er sagte mir, dass jetzt wieder alles in Ordnung ist und er mich braucht … Es war ein schöner Traum.« Sie schlief ein und ihr Atem war längst nicht mehr so flach und unruhig. Sie befand sich auf dem Weg der Besserung.
    Als die Sträflingsflotte zehn Tage darauf die Anker lichtete und mit stolz geblähten Segeln aus dem Hafen von Portsmouth auslief, war Rachel schon wieder bei Kräften.
    Die monatelange Reise in die Strafkolonie am Ende der Welt, im fernen Australien, begann. Eine Reise ins Ungewisse. Nicht nur für die Verbannten.

2. BUCH
    AUSTRALIEN
    JANUAR 1805 – MÄRZ 1808
     
     

Erstes Kapitel
     
    Es war noch früh, als Melvin Chandler erwachte. Er blieb einige Minuten mit offenen Augen liegen, lauschte auf das vertraute Rauschen der See und das Knarren von Masten und Takelage. Dann schlug er die Decken zurück, schwang sich aus der Koje und zog sich leise im Dunkeln an, um seinen drei Jahre jüngeren Bruder Andrew, mit dem er eine Kabine teilte, nicht aufzuwecken. Behutsam schloss er die Tür hinter sich, ging den schmalen Gang hinunter, vorbei an den Kabinen der anderen Passagiere und den Offiziersunterkünften, und trat auf das Achterdeck hinaus.
    Es war nicht mehr Nacht, aber auch nicht Tag. Dämmrig blaues Licht überzog den Horizont und verwässerte die tiefe Schwärze der Nacht. Graue Streifen, die schnell heller wurden, bohrten sich in die Dunkelheit, die noch über der See lag.
    Melvin Chandler, ein hoch gewachsener gut aussehender Mann von zwanzig Jahren, lehnte sich auf die Reling und beobachtete den Anbruch des neuen Tages. Er hatte es sich im Laufe der monatelangen Reise zur Gewohnheit gemacht, zum Sonnenaufgang an Deck zu sein, sofern schlechtes Wetter oder gar Stürme es nicht klüger erscheinen ließen, unter Deck zu bleiben. Und es hatte Wochen gegeben, wo er geglaubt hatte, vielleicht nie mehr einen aus der See aufsteigenden Glutball zu Gesicht zu bekommen. Wie ein Wunder war es ihm erschienen, dass ein Segelschiff solch tobende Naturgewalten überstehen konnte.
    Doch die schreckliche Zeit eisiger Stürme lag endgültig hinter ihnen, wie Captain Graham Winston seinen Passagieren versichert hatte. New South Wales war nicht mehr weit. Wenn seine Navigation und Berechnungen stimmten, musste der Ausguck hoch oben im Mast bald die Küste der Kolonie sichten.
    Melvin hörte eine Tür in seinem Rücken schlagen und drehte sich um. Er schmunzelte. Es war sein Bruder, der sich da reckte, ungeniert gähnte und sich mit der gespreizten Hand durch sein ungekämmtes dunkelbraunes Haar fuhr. Dass sie Brüder waren, sah man ihnen an. Beide hatten sie die blassblauen Augen und das volle Haar ihrer Mutter geerbt, während ihre sehr markanten Gesichtszüge mit der energischen Kinnpartie unbestreitbar das Erbgut ihres Vaters Jonathan Chandler waren.
    »Hab ich dich geweckt?«, fragte Melvin, als sein Bruder zu ihm an die Reling trat.
    Andrew schüttelte den Kopf und sog die frische belebende Seeluft tief ein. »Mich hielt es nicht länger im Bett.«
    »Unruhig?«
    Andrew verzog das Gesicht. »Unruhig bin ich schon, seit wir uns auf diesem Kahn eingeschifft haben, Bruderherz.«
    »Lass das nicht Captain Winston hören!«, warnte Melvin ihn belustigt. »Die Kent ist sein ganzer Stolz und ein prächtiges Schiff, wie er nicht müde wird, immer wieder zu betonen.«
    »Ich verstehe nicht viel von Schiffen, Melvin, aber eins weiß ich: Wenn irgendetwas an diesem Kahn prächtig ist, dann ist das seine Langsamkeit. Seit Juni sind wir nun schon unterwegs. Und was für ein Datum schreiben wir heute?«
    »Den dritten Januar 1805.«
    »Richtig. Das sind sieben Monate, die wir nun schon auf See sind! Eine gottverdammte Ewigkeit, wenn du mich fragst. Die Sirius und die Calcutta sind uns seit Kapstadt doch davon gesegelt, wie ein Hase einer Schildkröte davonrennt! Vater hätte eine Passage auf einem dieser Schiffe buchen sollen, statt sich für Captain Winstons lahmen Pott zu entscheiden«, brummte Andrew. »Ich wette, dass diese beiden Segler jetzt schon im Hafen von Sydney liegen!«
    »Kann schon sein«, gab Melvin zu, dem die Überfahrt von Portsmouth nach Sydney, mit langen Aufenthalten in Rio de Janeiro und Kapstadt, genauso schrecklich lang erschien. Doch er war

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