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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dafür haben sie, bevor sie abends scheiden, das Lied von Bethanien zu singen.«
    »Hamdulillah! Ich danke dir, mein lieber, mein guter Vater! Ich eile, es ihnen gleich zu sagen!«
    »Warum doch gleich?« widersprach Mustafa Bustani, indem er ihn festhalten wollte.
    »Weil ich sie jetzt noch einholen kann. Sie sind ja soeben erst fort!«
    Er riß sich los, schüttelte der kleinen Schamah noch schnell die Hand und sprang zu gleichen Beinen davon.
    »Ich werde bei ihm wohnen?« fragte das Kind, indem es ihm bewundernd nachschaute.
    »Ja, das wirst du,« antwortete die Mutter. »Ihr werdet immer beisammen sein.«
    »Das will ich auch und darüber freue ich mich, denn ich habe ihn lieb und über solche Helden muß man wachen. Nun aber bin ich müde vom weiten Weg. Darf ich schlafen?«
    Dieser Wunsch gab Veranlassung, uns zu verabschieden, und zwar mit einem sehr frohen »Auf Wiedersehen!« für morgen. Dann sahen wir, daß die Mutter mit dem Kinde zunächst noch in das Grab ging, um jene innere Pflicht zu erfüllen, die weit noch über das Grab hinüberreicht. Wir drei andern aber stiegen den schon bekannten Weg über Betphage nach Kafr et Tur hinauf und blieben, als wir den Johannisbrotstrauch erreichten, stehen. Die Sonne stand soeben im Begriffe hinter dem Horizont zu verschwinden. Mit ihren letzten Strahlen umarmte sie die heiligste der Städte, die es auf Erden gibt. Welchen Anblick Jerusalem während eines solchen Sonnenunterganges vom Ölberg aus bietet, muß man gesehen und empfunden haben; es zu beschreiben, ist nicht möglich. Wir standen lange Zeit in diesen Blick versunken. Dann sagte Mustafa Bustani, indem er tief Atem holte:
    »Noch schöner, noch tausendmal schöner als gestern zur selben Zeit! Aber diese Steigerung liegt in uns selbst. Ich bin ein ganz anderer, als ich gestern war, darum sehe und fühle ich auch ganz anders. Es liegt eine Welt zwischen gestern und heute. Ich weiß, ihr verlangt nicht, daß ich jetzt, nach so einer Stunde, reden und berichten soll. Ihr erlaubt mir zu schweigen. Ich bitte euch, geht heim! Laßt mich hier, allein mit mir und allein mit dem, der mir heute verzieh, obgleich ich ihn einst verstieß!«
    Wir gingen. Noch ehe wir die nächste Biegung des Weges erreichten, begannen die Abendglocken der Gottesstadt zu läuten. Ein Meer von heilig wallenden Tönen stieg zu uns auf und faßte uns, als ob es uns gen Himmel tragen wolle. Uns umschauend sahen wir, daß Mustafa Bustani betete – – ein Mohammedaner, beim Klang der Kirchenglocken! Kann ich mehr erzählen? Nein! – – –
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Für diejenigen Leser, welche keine Lücke dulden, habe ich noch hinzuzufügen, daß ich den Paschasattel doch noch bekam. Mustafa Bustani ermöglichte es und zwar, wie ich glaube, nicht ohne persönliche Opfer. Zwar ist ein solches Prunkstück in der Heimat unbrauchbar, aber ich halte ihn dennoch lieb und wert, weil er mich an jene zwei Tage im Heiligen Lande erinnert, die mir in Thar und Schamah, also in der »Rache« und in der »Verzeihung«, einen Wink gegeben haben, den ich nicht vergessen darf.
     
    Ende.
[Fußnoten]
    1 Frauenwohnung; hier tropisch statt Frau.
     
    2 Der Name hat seine Vorbedeutung.
     
    3 März.
     
    4 Gebetsrichtung nach Mekka.
     
    5 Hebron.
     
    6 Sultansteich.
     
    7 Grabmal der Rahel.
     
    8 Heiligtum Abrahams.
     
    9 Duldsamen (gegen Andersgläubige).
     
    10 Eselstreiber.
     
    11 Des Bürgermeisters.
     
    12 Topftrommel.
     
    13 Tamburin.
     
    14 Trompete.
     
    15 Querpfeife.
     

Bei den Aussätzigen
Reiseskizze von Karl May
    Es war in Damaskus. Am Weihnachtsheiligenabend. Ein gutes Stück hinter dem Vorort es-Salehije. Auf dem Wege, den man damals den »Weg der Aussätzigen« nannte, weil er an der Stätte vorüberführte, welche diesen Unglücklichen damals zum Aufenthalt im Freien angewiesen war. Sie hockten und lagen da in allen möglichen Stadien ihrer entsetzlichen Krankheit an der Erde herum und flehten das Mitleid der Passanten an, von deren Gaben sie lebten. Geld nützte ihnen nichts, da kein Mensch es nach ihnen wieder berührt hätte. Darum konnte man sie nur mit Gebrauchsgegenständen und Nahrungsmitteln unterstützen, und da nur sehr wenige von den Leuten, die diesen Weg passierten, dergleichen Dinge bei sich führten oder übrig hatten, so kann man sich denken, daß diese Gaben sehr spärlich ausfielen und nicht im stande waren, den Hunger

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