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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dieser armen Geschöpfe zu stillen und ihre Blöße zu bedecken. Dabei war es ihnen bei strenger Strafe verboten, sich Gesunden zu nähern oder gar sie anzurühren. Bis auf zwanzig Schritte durften sie herankommen, weiter nicht. Man warf ihnen aus dieser Entfernung die Gabe zu und hatte sich dann zu entfernen, daß sie sie holen konnten.
    Ich war jetzt schon über zwei Wochen lang in Damaskus, mit Hadschi Halef Omar, meinem arabischen Diener, Freund und treuen Reisebegleiter. Alle meine Leser kennen ihn, den lieben, kleinen, prächtigen Kerl, der mich unbedingt zum Islam bekehren wollte, dabei aber einer der vortrefflichsten Christen wurde, die mir im Leben begegnet sind. Er fühlte sich von dem Elende der Aussätzigen tief ergriffen und bat mich, täglich hinausreiten zu dürfen, um ihnen etwas zu bringen. Ganz selbstverständlich gab ich nicht nur meine Erlaubnis, sondern ich ritt auch selber mit. Wir wählten derartige Gaben, die ihnen sonst niemand bot und die also trotz ihrer Billigkeit Delikatessen, überhaupt Luxus für sie waren. Das gewann uns ihre Herzen. Wenn wir kamen, sahen wir schon aus weiter Ferne, wie erwartungsvoll sie nach uns ausschauten. Und sobald sie uns erblickten, brachen sie in Jubel aus. Wenn es Beobachter gab, mußten wir vorsichtig sein; waren wir aber mit ihnen allein, so beachteten wir das Gebot der zwanzig Schritte nicht, sondern gingen ganz zu ihnen hin, um ihnen das, was wir mitgebracht hatten, direkt in die Hände zu geben, doch ohne daß wir die Personen selbst berührten. Man kann sich denken, wie lieb sie uns gewannen, besonders den kleinen Hadschi, der sie durch seine Heiterkeit und seine drolligen Witze auch innerlich beschenkte.
    Sie hatten unter sich einen Anführer gewählt, dem sie unbedingt gehorchten. Man nannte ihn den »Scheik der Aussätzigen«. Er war ein langer, starker Mann mit sehr entstelltem Gesicht und nur einer Hand; die andere hatte ihm der Aussatz weggefressen. Früher im deutschen Asyl für Aussätzige in Jerusalem untergebracht gewesen, hatte er die echte Humanität des Christentums von der erzwungenen Wohltätigkeit des Islam unterscheiden gelernt und sich einige Kenntnisse angeeignet, die ihn befähigten, hier in Damaskus im Namen seiner Leidensgenossen mit der Behörde zu verkehren. Er stand gerade jetzt mit ihr in einem außerordentlich erbitterten Konflikt. Man wollte die Aussätzigen nicht mehr an ihrer jetzigen Stelle lassen. Man warf ihnen vor, daß sie die Luft verpesteten. Die noch leidlich Aussehenden sollten in ein dicht verschlossenes Haus gesteckt werden und die Freiheit nie wieder zu sehen bekommen; die anderen aber wollte man nach einer Ruine in der Wüste bringen, wo sie von Soldaten streng zu bewachen waren, bis sie vollends starben. Daß beides einem Todesurteile gleichzunehmen war, verstand sich ganz von selbst. Daher die große Aufregung, die unter den Aussätzigen hierüber herrschte. Sie wollten ihre freie Luft, ihren Sonnenschein und den Anblick des Himmels nicht hergeben. Sie wollten sich weder einsperren, noch in die Wüste schaffen lassen. Sie behaupteten, daß man es in beiden Fällen darauf abgesehen habe, sie schnell verhungern und verschmachten zu lassen; dann sei man sie los. Der Pascha aber achtete auf ihre Einwendungen und Wünsche nicht. Er ließ ihnen befehlen, sich bereit zu halten, da es bei seinen Bestimmungen bleibe. Sie waren hierüber derart ergrimmt, daß sie nun nicht mehr auf Abwehr, sondern nur noch auf Rache sannen und diese konnte eine außergewöhnliche und fürchterliche werden.
    Das erfuhren wir nicht nur von ihnen selbst, sondern auch von unserem Gastfreunde, dem reichen Kauf-und Handelsherrn Jacub Afarah, bei dem wir wohnten. Meine Leser haben ihn in dem Bande »Von Bagdad nach Stambul« sehr genau kennen gelernt. Er war ein überaus menschenfreundlich denkender Herr und hatte sich, was hier ganz besonders zu erwähnen ist, den Pascha zur Dankbarkeit verpflichtet. Daß die Aussätzigen vernichtet werden sollten, war Stadt-und Tagesgespräch. Jacub Afarah bemitleidete sie. Er wußte, daß ich mit Halef täglich zu ihnen hinausritt, um sie zu beschenken, und fügte an jedem Morgen zu dem, was wir aus unseren armen Mitteln spenden konnten, auch seine reichlicher bemessenen Gaben bei. Nun fügte es sich, daß mein Halef, der innerliche Christ und äußerliche Mohammedaner, auf den Gedanken gekommen war, am heutigen heiligen Weihnachtsabende bei den Aussätzigen eine Christbescherung zu veranstalten. Wie das

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