Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
anzufangen sei, das wußte er sehr genau. Ich hatte es ihm oft beschrieben und dann später einmal am Lagerplatz seiner Haddedihn-Araber einen großen, weithin leuchtenden Christbaum angebrannt. Als Jacub Afarah von diesem Plane hörte, erklärte er, daß er sich beteiligen werde. Die Geschenke seien von ihm, die Bäume aber von uns zu liefern. Er bitte aber um Verschwiegenheit, damit niemand die einzig seltene Feier störe. Nur einigen seiner vornehmen Freunde und ihren Frauen dürfe gestattet sein, an ihr teilzunehmen.
So war ich denn gestern mit Halef hinauf in das Wadi Methelun geritten, wo wir vier sehr gut passende Tannen fanden. Von da zurückgekehrt, erfuhren wir, daß die geladenen vornehmen Freunde und ihre Frauen bereits in allen Basaren herumgekrochen seien, um auch ihrerseits Geschenke einzukaufen. Wir freuten uns herzlich, daß die von uns ursprünglich so bescheiden geplante Bescherung jetzt einen so splendiden Charakter bekam, und verwendeten den heutigen Vormittag darauf, für gute Lichte und die reichliche Anzahl von Dillen zu sorgen. Als es zu dunkeln begann, waren wir bereit. Der große Wunsch Halefs, daß kein Wind die Weihnachtsflammen verlöschen möge, wurde gewährt. Es regte sich, solange die Bäume dann brannten, auch nicht ein einziges Lüftchen.
Es war bestimmt worden, daß die einzelnen Parteien zur Stunde des Abendgebetes aufbrechen und sich am Ende von Salehije zusammenfinden sollten. Das geschah. Dann ging es auf dem »Weg der Aussätzigen« weiter. Voran Halef hoch zu Roß, zwischen zwei Kamelen mit je zwei Tannenbäumen, hierauf Jacub Afarah mit seinen Freunden. Hinter ihnen die Frauen in Ochsenwagen, die mit Geschenken derart gefüllt waren, daß gar nichts mehr hineinging. Zuletzt ritt ich allein. Ich wollte mir diese Stunde nicht durch die Rücksicht auf andere aus dem Herzen stehlen lassen.
Wir waren heute noch nicht bei den Unglücklichen gewesen. Sie hatten uns vergeblich erwartet und sich enttäuscht zur schlaflosen Ruhe hingelegt. Der Himmel stand voller Sterne, doch Mondschein gab es nicht. Es herrschte tiefes Schweigen. Da erscholl Halefs laute Stimme, die sie alle kannten. Sofort erhoben sich Freudenrufe und dann, als er ihnen sagte, was geschehen solle, jubelnde Stimmen, die Allahs und der Menschen Güte priesen. Ich hatte ihn genau instruiert. Er dirigierte das ganze Werk, von den Kutschern und Kameltreibern unterstützt. Die Bäume wurden in die Erde befestigt und die Geschenke vor ihnen ausgebreitet. Hierauf gruppierten sich die Aussätzigen im Halbkreise, die Augen nach den Bäumen gerichtet. Zwanzig Schritte hinter ihnen die bescherenden Männer und Frauen. Ich hielt mich abseits, um nicht gestört zu werden. Da sah ich, noch weiterhin entfernt, eine Gruppe von vier oder fünf Männern stehen, die nicht zu uns gehörten. Das waren jedenfalls Neugierige, die zufällig vorübergekommen und, als sie uns bemerkten, stehengeblieben waren. Ich achtete nicht auf sie, zumal Halef mit seinen Gehilfen jetzt die Lichter anzubrennen begann.
Noch nie hatte man hier einen brennenden Lichterbaum gesehen! Und nun gar mehrere! An dieser Stelle des berühmten Dschebel Kasiun! Unter diesem unbeschreiblichen, heilig flammenden Sternenhimmel! Hilflos, flehend, wie nach Schutz und Rettung suchend, flackerte das irdische, vergängliche Licht zu dem ewigen Lichte des Firmamentes empor, und ein langer, tiefer, hörbarer Atemzug entrang sich den Herzen all der Unglückseligen, die hier im Staube lagen! Einige begannen zu weinen, erst leise, dann laut und lauter. Das war die einfache, die unmittelbare Wirkung der strahlenden Bäume, das ganze Geheimnis der natürlichen Weihnachtsqual und Weihnachtsfreude!
»Maschallah! Weihnachtsbescherung, wirklich Weihnachtsbescherung!« hörte ich einen jener Männer sagen, die ich nicht kannte.
Da sah ich die hohe Gestalt des »Scheiks der Aussätzigen«, der zu den Bäumen trat. Er war natürlich der erste, dem Halef gesagt hatte, daß heute Weihnacht sei. Er kannte von Jerusalem aus die Bedeutung dieses Wortes und wußte wohl auch, in welcher Weise der Christ dieses Geburtsfest seines Erlösers zu feiern pflegt. Er sah mich nicht und erhob seine Stimme zu der Frage:
»Wo ist der deutsche Effendi? Er sage es!«
»Hier bin ich!« antwortete ich ebenso laut.
»Dürfen wir singen zu dieser Stunde der Menschenfreundlichkeit?«
»Ja. Ich bitte darum!«
»Und darf ich euch und den Gefährten meines Unglücks sagen, was mir Allah jetzt auf meine
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