Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
glaubst an keinen Zufall?«
»Nein«, antwortete ich.
»So wurden wir hierhergeführt?«
»Ja.«
»So hältst du dich also für den Christen, der retten und helfen soll?«
»Ja.«
Hierauf schwieg er eine Weile, dann fuhr er fort:
»Du weißt, daß ich dich in der ersten Zeit, nachdem wir uns kennen gelernt hatten, immer zum Islam bekehren wollte. Nun aber hast du beinahe gesiegt. Ich bin fast Christ geworden, ohne daß du den geringsten Versuch, mich zu überzeugen, nötig hattest. Das ist die Macht des Glaubens, der nur in Taten lehrt! Aber heute bist du doch zu kühn. Heute ist dein Glaube gar zu groß!«
»Wieso?«
»Auch ich bin überzeugt, daß wir sehr bald entdecken werden, was diese beiden heimlichen Adjutanten nicht heraus bekommen haben. Wenn uns das gelingt, so ist die Bedingung, welche der Türke stellte, erfüllt. Aber die Bedingung des Persers! Abdahn Effendi soll selbst beten, daß Gott die Menschen von ihm erlöse! Hältst du das überhaupt für möglich?«
»Es ist in fast jeder Beziehung eine Unmöglichkeit, nur in einer nicht, nämlich in Beziehung auf meinen Glauben. Noch vor einer Woche wollten wir nach Mossul. Wir hätten es für unmöglich gehalten, heute hier in Dschan zu sein. Heute sind wir dennoch hier! Aus welchem Grunde? Nur ganz allein, weil mir der Gedanke kam, nach Teheran zu gehen, obgleich es gar nichts zu diesem Entschlusse Treibendes gegeben hat. So gibt es auch für Abdahn Effendi jetzt keinen Grund, ein solches Gebet gegen sich selbst zu tun; aber wenn es hoch über ihm beschlossen ist, daß es geschehe, so kann er nicht widerstehen, sondern hat zu gehorchen. Zerbrechen wir uns nicht den Kopf, sondern warten wir es ab!«
»Gut, warten wir es ab! Aber wenn sich deine Zuversicht bewähren sollte, so bin ich ganz besiegt und muß für immer schweigen!«
Hiemit hatte er seinem Herzen Luft gemacht und war nun wieder still. Als wir daheim ankamen, sah ich den türkischen Achmed Agha, der von der Anhöhe herabgestiegen war, um das Abendbrod bei Abdahn Effendi zu essen. Die vier Agha waren nämlich alle unverheiratet und pflegten ihre Mahlzeiten bei ihrem dicken Freunde einzunehmen. Als der »Mir Alai« mich sah, grüßte er mich schon von weitem. Das veranlaßte mich, stehen zu bleiben, und das Gewehr, welches ich mitgenommen hatte, Halef mit der Bitte zu geben, es mit dem seinigen hinauf zu uns zu tragen. Ich ging dem Oberst, der nicht Oberst war, die kurze Strecke, die uns trennte, entgegen. Er verbeugte sich außerordentlich höflich, reichte mir die Hand und fragte:
»Schon zurück? Wie steht es mit dem Bären?«
»Es sind mehrere«, erwiderte ich. »Ich hoffe, sie baldigst zu bekommen.«
»Es ist Essenszeit. Speisest du mit?«
»Ja.«
»Dein Hadschi Halef Omar auch?«
»Gewiß!«
»Das freut mich. Ich habe ihr sehr schnell liebgewonnen, er mich aber auch. Und das ist gar kein Wunder, denn weißt du, ich bin eine Seele von einem Menschen, und was ich anderen Leuten an den Augen absehen kann, das tue ich. Auch dein Herz wird mir bald gehören. Also komm!«
Er schritt der Tür des Hauses zu. Da erscholl von der anderen Seite her eine rufende Stimme. Ich sah den persischen Achmed Agha kommen. Er grüßte auch schon von weitem, und ich ging ihm die kurze Strecke, die zwischen uns lag, entgegen. Er verneigte sich tief, drückte mir die Hand und sprach:
»Ich freue mich außerordentlich, daß ihr schon zur Essenszeit wieder heim seid. Ihr speiset doch mit?«
»Ja,« antwortete ich.
»Da erlaube mir, mich neben dich zu setzen. Ich habe dich nämlich sehr schnell liebgewonnen, denn ich bin wirklich eine Seele von einem Menschen, wie du wohl schon bemerkt haben wirst. Wenn es mir gelänge, auch deine Teilnahme zu finden, so würde ich sehr glücklich sein! Komm mit herein!«
Soeben kam Halef wieder von oben herab. Wir traten in dieselbe Stube, in der wir schon gewesen waren. Da saß Abdahn Effendi. Er aß schon. Indem wir bei ihm Platz nahmen, fragte er nach dem Erfolge unseres Ausfluges. Ich gab ihm dieselbe Auskunft, die schon der »Mir Alai« bekommen hatte.
»Freut mich!« nickte er vergnügt, indem er weiterkaute und mich mit seinen verschobenen Äuglein anblinzelte.
»Habt ihr mit Ben Adl, dem Müller, gesprochen?«
»Nein,« antwortete Halef.
»Oder mit einem andern Menschen aus der Mühle?«
»Nein.«
»Das freut mich, freut mich sehr! Ich bin nämlich ein Gemütsmensch, aber wenn man mir nicht gehorcht, so schlage ich zu und schmeiße alles hinaus. Das
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