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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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daß ich ihn selbst machen darf, in der Küche, und daß es keinem Menschen erlaubt ist, mich dabei zu stören!«
    »Das wird geschafft! Das wird alles geschafft! Und niemand soll es wagen, dir dabei nahe zu kommen!« versicherte der Dicke. »Allah segne dich, Effendi, Allah segne dich! Du bist ein von ihm begnadeter Mann! Erstens, weil du das Rezept so genau weißt, und zweitens, weil du es unterwegs nicht vergessen hast! Man darf zwar keinem Menschen wissen lassen, daß man Rum und Arrak hat, weil nämlich ein entsetzlich hoher Zoll darauf liegt, zu dir aber haben wir Vertrauen; dir darf man alles sagen. Ich werde also selbst gehen, um dir diese Dinge zu besorgen, gleich, sofort! Dann führe ich dich in die Küche!«
    Er rannte fort, so schnell sein Körperbau es ihm gestattete. Halef machte ein Gesicht wie ein Kaninchen, dessen Bau verregnet ist. Die Aloe, der Knoblauch und die Zwiebeln wollten ihm nicht in den Kopf; ich aber blieb ernst und tat, als ob ich von den Gewissensschlägen, die er fühlte, gar keine Ahnung hätte. Wir aßen weiter, bis der Wirt mich nach einiger Zeit in die Küche holte. Das war ein großer, auf der andern Seite des Hauses liegender, nur von brennenden Spänen erleuchteter Raum, in dem mehrere weibliche Gestalten unter dem Kommando einer ewig langen und unendlich dürren Frau beschäftigt waren, für das leibliche Wohl der Gäste zu sorgen. Der Effendi sagte mir, daß dies seine Gattin sei, daß er keine Töchter habe und daß seine beiden Söhne sich in Bagdad und Teheran als Kaufleute niedergelassen hatten. Er schnippste dabei mit den Fingern, um mir anzudeuten, wie vorzüglich sie sich in ihren Geschäften ständen. Ich vermutete, daß ihre einträgliche kaufmännische Tätigkeit in sehr naher Beziehung zu dem hiesigen Schmuggel stehe. Dann führte er mich an einen separat stehenden Tisch, auf welchem ich alles stehen und liegen sah, was ich für nötig befunden hatte.
    »Darf ich zusehen, wie du es machst?« fragte er.
    »Leider nein,« antwortete ich. »Du würdest mich in meiner Andacht stören. Man hat bei der Bereitung dieses Trankes gewisse geheimnisvolle Verse herzusagen. Paßt man da nicht auf, so schmeckt er bitter und derart widerwärtig, daß man ihn nicht genießen kann.«
    Er ging. Nun gab ich der Frau das Stückchen Aloe, um es im Mörser zu Mehl zu stoßen, die Zitronen, um sie zu schälen, und die Zwiebeln und den Knoblauch, um sie auf dem Reibeisen klein zu machen. Das hatte den Erfolg, daß die Frauenzimmer alle zu niesen begannen. Inzwischen sah ich mich nach einem Gefäße um, welches sich dazu eignete, als Bowle oder Terrine benützt zu werden. Zwei alte, ziemlich große Krüge erschienen mir am geeignetsten dazu.
    Ich spülte sie in dem fließenden Wasser aus, welches in sehr praktischer Weise vom Bache her durch die Küche geleitet war und gerade an meinem Tische vorüberfloß. Als dann die Ingredienzien mir in verfeinerter Form zurückgegeben wurden und auf dem Herde das Wasser zu sieden begann, machte ich mich an die Arbeit. Aloe, Zwiebeln, Knoblauch und so viel von den Zitronen, wie ich zuviel genommen hatte, ließ ich heimlich in das Wasser fallen; es verschwand, ohne daß man es bemerkte. Der Rum und Arrak gaben gerade und genau die zwei Krüge voll Punsch, dessen Duft durch die ganze Küche ging. Ich winkte die Frau herbei und gab ihr zu kosten. So lang und schmal sie war, so verschüchtert sah sie aus. Sie hatte so große Augen und einen so traurigen Blick, daß ich mich herabließ, freundlich mit ihr zu sein, das machte sie so verlegen, daß sie kein Wort zu sprechen wagte. Aber indem sie kostete, sagte mir ihr Gesicht, daß ihr das Getränk im höchsten Grade deliziös vorkam. Ich sagte ihr, daß der eine Krug für uns sei, der andere aber für sie und ihre Dienerinnen und Schützlinge unter den armen Gästen der Karawanserai. Da griff sie schnell nach meiner Hand, um sie zu küssen, und faßte strahlenden Auges dann nach ihrem Kruge. Ich trug den meinen in das Speisezimmer, welches eigentlich das Wohnzimmer des Effendi war und nicht von jedermann betreten werden durfte. Man empfing mich mit großer Spannung. Man probierte. Man schnalzte mit den Zungen. Man war entzückt; man trank! Man war des Lobes voll! Man versicherte, daß der Pöntsch des Engländers nicht halb so gut gewesen sei als der meinige! Ich trank ganz wenig, Halef auch. Umso fleißiger waren die drei anderen. Der Inhalt des Kruges reichte gerade aus, sie in jene Stimmung zu versetzen,

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