Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
edel sei, und da er bekanntlich mit Eifer darnach trachtete, für einen edlen Menschen gehalten zu werden, so verzichtete er sehr gern auf diese Rache und befand sich sehr bald in angelegentlichem Gespräch mit ihnen.
    Dieselben Soldaten, welche die Mühle umstellt hielten, hatten die beiden Väter des Müllerpaares gebracht, die einstigen hiesigen Douanenkommandanten, die als Gefangene in Ketten abgeführt und dann verurteilt worden waren. Sie waren noch heute gefangen, aber es stand im Belieben der Adjutanten, sie sofort freizulassen, sobald ein Zeichen ihrer Unschuld zu finden sei. Die Steuern hatten in den letzten Jahren keine Einnahmen mehr ergeben und man war auf das unvorsichtige prahlerische Gebaren der Söhne des dicken Effendi aufmerksam geworden. Es entstand der Verdacht, daß diese Geldquelle des Staates auf eine bisher unerhörte Weise in Privattaschen abgeleitet werde. Die Adjutanten wurden abgesandt, hier heimlich zu recherchieren. Sie konnten nichts entdecken. Sie baten um Militär und um Zusendung der abgesetzten früheren Kommandanten, weil diese die Verhältnisse kannten und die Listen ihrer einstigen Ankläger und Widersacher wohl durchschauen würden. Nun waren sie gestern angekommen. Wir bekamen sie zu sehen, sie und ihre beiden Frauen, die bei ihren Kindern hier auf der Mühle lebten, uns aber noch nicht vor die Augen gekommen waren.
    Diese lieben, guten, alten unschuldigen Leute! Man sah es den beiden Frauen an, wie sehr sie sich gegrämt und nach ihren Männern gesehnt hatten! Und diese Männer trugen noch heute die von Handring zu Handring gehende Kette, durch die sie an der Flucht verhindert werden sollten. Ich sagte ihnen schon gleich während der ersten fünf Minuten, als ich mit ihnen redete, daß sie diese Ketten morgen nicht mehr tragen würden. Da fielen mir aber die beiden Adjutanten sofort in die Rede, indem sie mich aufforderten, mich nicht in ihre Obliegenheiten zu mischen; sie hätten nichts erfahren können, und es könnten noch Wochen vergehen, ehe man etwas entdeckte.
    »Bis dahin seid ihr dann längst in die Luft gesprengt!« antwortete ich.
    »In die Luft gesprengt?« fragte der Perser verwundert. »Wieso?«
    »Wo schlaft ihr heute abend?« gegenfragte ich.
    »Natürlich da, wo wir immer geschlafen haben, in unseren beiden Stuben!«
    »Und ihr wißt, daß schon einmal zwei Adjutanten hier gewesen sind, um eine Untersuchung anzustellen?«
    »Wir wissen es. Sie fanden ebenso wenig wie wir, nämlich nichts. Und sie gingen sehr unvorsichtig mit ihrem Pulver und ihren Patronen um. Sie waren starke Raucher; sie machten oft Feuer; sie flogen in die Luft.«
    »So? Ich weiß das anders. Es ist mit ihnen genau dasselbe geschehen, was heute mit euch und uns geschehen soll. Man hält euch beide für den persischen Adjutanten und seinen Schreiber. Weist du, was heute mit unseren Wohnungen geschieht?«
    »Sie werden gesäubert.«
    »Fällt keinem Menschen ein! Man gibt nur andere Möbel hinein, um die es nicht schade ist, in die Luft zu fliegen. Man praktiziert uns Pulver oder einen anderen Sprengstoff in die Stuben. Man legt eine Zündschnur, die vom Dach an dem Pfirsichbaum niederläuft, der an der Ecke des Hauses steht. Diese Schnur wird nach dem Abendessen von dem Basch Tschausch des türkischen Kommandanten angezündet werden. Wir fliegen in die Luft, und dann wird es wieder heißen, daß die Adjutanten zu dumm gewesen sind, etwas zu entdecken, und daß sie unvorsichtig mit Feuer, Pulver und Patronen gespielt haben!«
    Die Wirkung dieser Worte war groß. Erst tiefe Stille, dann hundert drängende Fragen von allen Seiten. Die Adjutanten forderten Beweise.
    »Holt sie euch,« sagte ich. »Heute abend! Ich habe gelauscht; ich hörte zufälligerweise sprechen. Was ich gehört habe, sage ich euch. Was ihr dann tut, ist eure Sache. Ihr habt uns ja verboten, uns um eure Angelegenheiten zu kümmern!«
    Nun stand ich von meinem Sitze auf und entfernte mich, um weiteren Fragen zu entgehen. Halef tat dasselbe. Ich verbot ihm, diesen beiden Männern auch das geringste zu entdecken. Wir gingen wohl gegen zwei Stunden lang spazieren, absichtlich nicht kürzere Zeit. Als wir zurückkehrten, wurde uns mitgeteilt, daß beschlossen worden sei, die Wahrheit unserer Behauptungen zu prüfen. Man werde unsere vier Stuben genau durchforschen und, falls das, was ich sage, richtig sei, die ganze Bande gefangen nehmen und mit der Untersuchung sofort beginnen. Es stehe zu erwarten, daß es infolge der

Weitere Kostenlose Bücher